(Philipper 1,15-21)
Wie oft in unserem Leben haben wir erfahren, dass wir etwas Gutes tun wollen, aber wir haben es nicht geschafft?
Wie oft haben unsere äußerlichen Umstände uns eingeschränkt?
Wie oft haben die Streitsucht, der Neid und der Eigennutz des Anderen uns gestört und wir haben uns gewünscht diese einfach vermeiden zu können?
Wie oft dachten wir, dass es besser wäre die Augen zuzumachen und träumen, sodass unser Traum für einen Moment lang verwirklicht wird?
Vielleicht können wir uns heute vorstellen, dass Christus unser Traum ist! Christus ist die Liebe die wir in unserem Herz fühlen wollen! Christus ist die Mission und der Auftrag die wir vollbringen sollen! Für einen Moment lang glauben wir, dass Christus das wahre Leben ist, das wir leben wollen und er derjenige ist, für den wir auch sterben würden!
Unser Predigttext hat der Apostel Paulus aus dem Gefängnis geschrieben. Paulus, der früher ein strenger Pharisäer war, wurde vom damals berühmten Rabbiner Gamaliel unterrichtet. Ich kann mich vorstellen, dass Paulus sehr für das väterliche Gesetz des Judentums begeistert war und zwar dermaßen, dass er die Nachfolger Jesu verfolgt hat. Er war zwar ein freier Mensch aber innerlich war er seinen eigenen Überzeugungen und engen Maßstäben untergeordnet.
Während seiner Reise nach Damaskus erfuhr aber Paulus etwas ganz besonders. Eine Erfahrung und eine Begegnung mit dem auferstandenen Christus hat sein Leben völlig geändert. Statt dem Gesetz zu dienen fing er an das Evangelium Christi zu verkünden. Die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn war eine befreiende Erfahrung, durch welche er seine eigenen Beschränkungen beseitigen konnte. Seine Augen wurden geöffnet und er konnte weitersehen als sein eigenes geschlossenes Selbst. Das war die befreiende Wirkung des Evangeliums. Dann wurde es für Paulus klar: Er wird ein Völkerapostel, nämlich ein Missionar unter den Nichtjuden sein, und das Evangelium Jesu Christi zu denen predigen.
Die Befreiung durch das Evangelium sehen wir heute ganz klar in unserem Predigttext, welcher im Gefängnis geschrieben wurde. Dort schrieb er: Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.
Christus ist mein Leben! Heute, liebe Gemeinde, möchte ich sagen, dass nur ein freier Mensch sowas verkünden kann. Im Gefängnis zu sein beschränkt auf keinen Fall den Apostel, denn er erfuhr in seiner Gefangenschaft den Tod und die Auferstehung Christi. Früher war er frei aber eingeschränkt durch seine eigenen Überzeugungen. Und als er diesen Brief schrieb war er inhaftiert aber trotzdem frei.
Christus ist mein Leben! Christus befreit uns von unseren eigenen Beschränkungen. In ihm finden wir die Möglichkeit selbst zu sein, eine Gelegenheit die uns die Welt nie völlig anbieten kann. Hier in der Welt wollen wir für uns ein warmes Zuhause haben. Wir arbeiten und sparen Geld ein um ein Haus aufzubauen, und es immer wieder zu renovieren. Wir wünschen uns, dass wir zu Hause frei und uns wohl fühlen können. Das ist an sich selbst gut. Die Frage ist aber ob das genug ist und ob wir ohne Christus die Freiheit wahrhaftig erleben können.
Im heutigen Predigttext erfahren wir, dass Paulus neben seiner Gefangenschaft, viele innerliche Schwierigkeiten erlebte. Diese Hürden wurden durch diejenigen, die Christus predigen, verursacht, nämlich durch ihre Bevorzugung, Parteilichkeit und ihren Geist der Konkurrenz. Einige „predigen Christus aus Neid und Streitsucht“, sie „verkündigen Christus aus Eigennutz … denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft“, schrieb Paulus. Diese waren die Christen, die vom Judentum zu Christentum konvertiert haben. Sie waren noch mit der Synagoge und dem Judentum stark verbunden. Für sie dienten die Gesetze des Alten Testaments und die jüdische Welt als Sicherheitsbereich auf welche sie nicht verzichten wollten. Demensprechend war für sie das missionarische Bestreben des Apostel Paulus nach der nichtjüdischen Welt untragbar.
Es ist aber Paulus gelungen den äußeren Beschränkungen als Gefangener und seiner inneren Unruhe zu entfliehen und in Christus die Befreiung von allen Erschwernissen zu finden. Für Paulus war das Evangelium Christus und Christus war sein Leben. Das Evangelium wirkt auch in der Mitte unserer Schwäche und der irrtümlichen menschlichen Verhältnisse. Bevorzugung, Parteilichkeit, der Geist der Konkurrenz, Neid und Streitsucht, aber auch Gefangenschaften Krankheiten und Tod beschreiben ebenso unsere Welt heute. Liebe Gemeinde, wahrscheinlich werden Trübsal und Elend, die wir in der Welt erfahren, nicht erlöschen. Wenn wir aber die Auferstehung Christi in unserem Herzen verstehen und erfahren überschreiten wir unsere Beschränkungen. Wir können sie überwinden, ohne dass sie unbedingt verschwinden. Neid und Streitsucht werden uns immer wieder treffen. Jedoch ist die gute Nachricht des Evangeliums, dass wir in der Wüste unseres Lebens die Quelle des lebendigen Wassers finden. „Christus ist mein Leben“ heißt weiterhin, dass ich wahrlich zu Christus gehöre. Er ist die Heimat nach der wir uns sehnen und in ihm sind wir frei. Auf diese Weise schrieb Paulus vom Gefängnis und verkündigte die Freude an dem Evangelium: „so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen“.
Christus ist mein Leben bedeutet weiter, dass ich noch einen Weg gehen muss; nämlich den Weg von mir selbst zu der Erfüllung meines eigenen Seins in Christus. Jedoch können wir zu diesem Ziel, nämlich zu Christus, der vollendete Mensch, nicht allein marschieren. Wir sollen das irgendwie zusammen schaffen. Deshalb brauchen wir auch diejenigen die uns Schmerz und Leid verursachen. In diesem Sinne ist der Weg den ich gehen muss eigentlich der Weg der zwischen mir und dir steht, oder zwischen mir und den Anderen. Der Weg, liebe Gemeinde, den wir gehen müssen fordert uns auf, dass wir uns in Richtung der Anderen bewegen, ungeachtet von Neid und Streitsucht, die uns begegnen.
Ich verstehe es, und wir erfahren es manchmal alle, wie schwierig es ist mit anderen Menschen einen gemeinsamen Weg zu finden. Liebe Gemeinde, Christus kann auf keinen Fall unser Leben sein ohne dass der Andere an diesem Leben teilnehmen darf. Die Erfahrung der Freiheit ist nicht eine private Erfahrung und die gute Nachricht des Evangeliums kann auf keinem Fall ein privates Unternehmen sein. Der Weg, der vor uns steht, ist der Kreuzweg, ohne welche die Auferstehung unmöglich wäre. Jesus ist diesen Weg gegangen. Er wurde von seinem eigenen Jünger, Judas, und von den Hohenpriestern seines Volkes und den Schriftgelehrten, den Römern überantwortet. Von seinem eigenen Volk wurde er zum Tode verurteilt und von den Römern gekreuzigt. Am Kreuz konnte er aber für denen, die ihn zum Kreuz brachten beten. In diesem Sinne hat jeder von uns seine eigene Erfahrung diesen Weg zu gehen.
An diesem Sonntag Latäre möchten wir, liebe Gemeinde, uns freuen. Wir möchten uns vorstellen, dass, Christus unser Leben und unsere Freude ist auch in der Mitte der Trübsal und des Leids. Christus befreit uns von unseren Beschränkungen, sodass wir frei und offen den Weg, der vor uns steht gehen können. Der Weg zur Freiheit ist ein holpriger Weg. Aber, ich zitiere von Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Galater 5,1).
Sylvie Avakian
Klingenberg- 11.03.2018