Eine Botschaft der Hoffnung

 

Jeremia 31,31-34

 

 

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

 

Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

 

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Der Prophet Jeremia hat in einer sehr unruhigen Zeit in der Geschichte des Nahen Ostens gelebt. Er erlebte den Sturz der Assyrer und den Aufstieg zur Vormacht des babylonischen Reiches mit. Inmitten des Getümmels blieb das Königreich Juda erst unter dem assyrischen Einfluss. Das hatte aber eine Auswirkung auf die jüdische Religion, die von den mesopotamischen Göttern und ihre Verehrung beeinflusst wurde. Der König Josia hat damals, mit Jeremias Hilfe, eine Reform gegen die Anbetung von Götzen geführt und er hat das jüdische Gesetzt wieder erneuert (626-621 v. C.). Jedoch blieb die Reform schließlich, unter der Herrschaft der nachfolgenden Könige, nur ein äußerer Schein.

 

Im heutigen Predigttext beschreibt Jeremia die Enttäuschung, welcher der alte Bund gebracht hat. Laut des alten Bundes hat Gott seine Gesetze den Menschen mitgeteilt und sie sollten entsprechend leben und den Gesetzen gehorchen. Der alte Bund war in diesem Sinne wie ein Grundsatz des Gebens und Nehmens. Gott gibt die Gesetze und die Menschen sollten sie nachfolgen. Denen den das gelingt verspricht Gott sein Heil und seine Erlösung. Damals litten aber auch die Priester unter Korruption und die falschen Propheten haben unwahre Botschaften gegeben. Sie haben das Wort Gottes nicht beachtet und es selber nicht ausgelebt. Sie haben den mosaischen Bund benutzt um ihre äußerliche Gerechtigkeit zu erhalten und damit waren sie zufrieden.  

 

Jeremia hat jedoch eine gute Botschaft mitgeteilt; eine Botschaft der Hoffnung. Der neue Bund wird völlig anders. Gemäß dem neuen Bund soll das Gesetzt Gottes im Herzen des Menschen gegeben und in ihrem Sinn geschrieben werden. Was bedeutet aber, dass das Gesetz Gottes im Herzen und im Sinn geschrieben ist?

 

Am Tag der Auferstehung Christi wollten zwei seiner Jünger nach Emmaus gehen. Auch sie waren enttäuscht. Sie hatten große Hoffnungen auf diesen Menschen Jesus gelegt. Sie haben erwartet, dass er etwas Unerwartetes tun wird. Er sollte das Volk von den Römern retten genauso wie Gott im Alten Testament das Volk von der ägyptischen Sklaverei gerettet hat. Vielleicht konnte Jesus auch einen oder zwei von den Römern töten, wie Mose den Ägypter erschlagen und ihn im Sande verscharrt hat. Jesus ist aber selber gestorben. Wie bitte? Jesus ist gestorben? Konnte er nichts tun? Was sollen wir jetzt machen? Am besten kehren wir zurück zu unserem alten Selbst und unserem alten Leben. Der, der unser Retter sein sollte ist gestorben. Auf ihrem Rückweg nähert sich aber Jesus den beiden Jüngern, und später, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte und gab es ihnen. Da haben die beiden es in ihrem Herzen erfasst. Das war Jesus! Später haben sie untereinander gesprochen: „Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“

 

Liebe Gemeinde, das ist genau was gemeint ist, wenn die Rede von einem Gesetz ist, das ins Herz geschrieben ist. Manchmal brennt auch unser Herz in uns, und in einem Augenblick erkennen wir es auch, genauso wie die Jünger Jesus erkannt haben. In einem Augenblick hören wir auch die Stimme Jesu oder die Stimme Gottes tief in unserem Herzen und eine Tür der Hoffnung öffnet sich vor uns und wir wissen viel besser was wir tun sollen als durch zahllose Gesetze, die von außen zu uns kommen.

 

In diesem Sinne ist der Glaube, liebe Gemeinde, die Sache des Herzens und nicht des äußeren Gesetzes. Heute sehen wir wie stark die Worte Jeremias waren und wie er die jüdische Religion grundsätzlich erschüttert hat: „nicht wie der Bund gewesen ist, [spricht Gott] den ich mit ihren Vätern schloss, … sondern … Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und es in ihren Sinn schreiben“. Auf diese Weise verzichtet Jeremia auf mindestens drei grundlegende Elemente des Judentums, nämlich das Gesetz, den Tempel und das Verheißungsland. Und genau deswegen haben die Priester und die Richter ihn ins Gefängnis geworfen und ihn eigentlich töten wollten (26,8). Jeremia war aber überzeugt, dass eine wahre Bekehrung zu Gott durch Gesetze, und durch den menschlichen Willen unmöglich ist. Gott selber wird das Herz den Menschen ändern und nur dann wird der neue Bund ermöglicht.

 

Wegen seiner Botschaft wurde Jeremia vielmals verhaftet und gefoltert. Er ist als der Mann des Kummers, der leidende Prophet, bekannt. Seine Lebenserfahrung und seine Spiritualität hat die Spiritualität des Neuen Testaments beeinflusst und geprägt. Gott kommt zu uns nicht durch das, was äußerlich ist, sondern er kommt zu uns in unsere Herzen.  

 

Liebe Gemeinde, der Predigttext heute lädt uns ein unseren Glauben zu verinnerlichen und ihn uns anzueignen.  In diesem Sinne findet der neue Bund, auf den Jeremia hinweist, seine stärkste Verwirklichung nicht in einem Gesetz oder in einem Buch, sondern in einem Menschen, nämlich in Jesus Christus. Jesus hat den Bund zwischen Gott und den Menschen auf sich genommen. Der neue Bund ist nicht in Stein gemeißelt, sondern ist lebendig geworden in Jesus Christus. Jesus hat das Passafest des alten Bundes mit seinen Jüngern gefeiert. Nach dem Mahl nahm er den Kelch und sprach: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“ (1Kor.11,25)

 

Wir sollen aber heute auch sehen, dass wir, in gewisser Hinsicht, dem Gesetzt untergeordnet sind. Der alte Bund ist mit den heutigen sozialpolitischen Formen der Welt vergleichbar. Der alte Bund kommt zu uns heute in einer anderen Gestalt. Es kann sein, dass die heutigen Gesetze moderner und auch gerechter als die Gesetze der alttestamentlichen Welt sind. Das bedeutet, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir nun vor dem neuen Bund stehen. Der neue Bund ist uns gegeben, wir sollen uns aber dafür öffnen und daran teilnehmen.

 

Liebe Gemeinde, die Religionskritik, die den christlichen Glauben durch die Geschichte begleitet hat, hat allermeist die gesetzliche Form der Kirche kritisiert. Deswegen würde ich heute nicht zögern zu sagen, dass wir die Potentiale für den Neuen Bund und die Möglichkeit, dass der Mensch sich innerlich Gott öffnet, viel mehr in einer freien, offenen Gesellschaft haben als in einer religiösen, geschlossenen Gesellschaft.  

 

Heute können wir den neuen Bund auf keinen Fall durch Gesetze verdienen. Der neue Bund ist das Geschenk Gottes. Genauso wie die Vergebung Gottes; „denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken,“ schrieb Jeremia. Wir verdienen es nicht, wir bekommen es nur als Geschenk. Wir können weder den Glauben noch die Vergebung durch die Erfüllung des Gesetzes erlangen. Das ist die Bedeutung des neuen Lebens, das uns immer wieder völlig umsonst, gratis, gegeben ist. Wir wissen das in unserem Herzen. Wir wissen, dass wir immer wieder ganz vom Anfang anfangen können, egal wie schwer unsere Lebenssituation für uns gewesen ist. In diesem Sinne ist die Annahme des neuen Bundes eine persönliche Entscheidung, die wir immer wieder treffen müssen. 

 

Gegen den Grundsatz des Gebens und Nehmens des Alten Bundes schrieb Martin Luther:

 

»Ich hasste den Gott, der gerecht ist und die Sünder bestraft. … Bis Gott sich meiner erbarmte und ich auf den Zusammenhang aufmerksam wurde: ‚Gottes Erbarmen wird darin offenbart, wie geschrieben steht: Der Gerechte lebt aus Glauben.‘ … Da kam ich mir vor, als sei ich geradezu von neuem geboren und durch die offenen Tore in das Paradies selbst eingetreten.«[1]

 

 

 

Dass Gott uns gnädig ist, ist das Geschenk Gottes. Und wenn wir einander gnädig sind, ist das ebenfalls das Geschenk Gottes. Durch den neuen Bund nimmt Gott uns zu sich, vergibt uns unsere Schuld und hilft uns, dass wir uns um andere Menschen kümmern und ihnen vergeben. Das ist die Grundlage des neuen Bundes; nämlich die Vergebung. Und als Petrus zu Jesus kam und fragte: „Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist's genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. (Matt.18,21-22)

 

Wenn wir einander vergeben und gnädig zu einander sind sollen wir es wissen, dass es die selbe Gnade Gottes ist, die uns gnädig macht. So hat die spanische Mystikerin Theresa von Avila gebetet:

 

„Befähige mich, Gott, Gutes an unerwarteten Orten zu sehen, und Fähigkeiten in Menschen, bei denen man es am wenigsten erwartet, und verleih mir, Herr, die Gnade dies zu sagen. Amen.“

 

 

 

Fürbittgebet:

 

Gott, unser Vater

 

Wie in der Zeit Jeremias,

 

ist unsere Zeit auch turbulent.

 

In unterschiedlichen Orten der Welt

 

leiden Menschen unter Ungerechtigkeit, Angst und Furcht.

 

Die Mächtigen dieser Welt herrschen

 

Und die Schwache und Ohnmächtige tragen die Folge  

 

Des politischen Spiels den Herrschern.

 

Herr Jesus, unser Heiland,

 

Komm und erlöse uns!

 

du hast deinen Jüngern versprochen,

 

sie nicht als Weisen zurückzulassen,

 

sondern durch deinen Geist

 

zu ihnen wieder zu kommen.

 

Wir warten heute auch,

 

Wir warten jeden Tag auf dein Kommen.

 

Wir warten auf den Heiligen Geist,

 

Der in uns einen neuen Geist schafft;

 

und in unserem Herzen eine neue Hoffnung bringt.

 

Komm Herr Jesus zu uns.

 

Komm und erlöse uns von unserem Fürchten,

 

komm Geist Christi und befreie uns von allen Bitterkeiten der Vergangenheit,

 

komm und vergib uns unsere Schuld.

 

Komm Heiliger Geist, wir warten auf dich. Amen.

 

 

 

Klingenberg 13.05.18

 

Sylvie Avakian

 

 

 

 

 

 

 



[1] Martin Luther, Weimarer Ausgabe 54, 185 f.; 186 ff.