Momente der Ewigkeit

Momente der Ewigkeit

 

Andacht zum Ewigkeitssonntag,

25.11.2018

 

 

Der heutige Sonntag wird im Kirchenjahr Ewigkeitssonntag genannt. Ich denke der Name drückt aus, was wir alle brauchen, nämlich „die Ewigkeit“. Im Laufe der Geschichte haben sich die Menschen sich immer nach der Ewigkeit gesehnt. Durch Einbalsamierung und Mumifizierung konnten die Ägypter im Altertum den Körper ihrer Könige lang erhalten. Sie glaubten, dass der Tod der Übergang ist vom Land der Lebenden, die in einer Welt des Leidens und der Beschränkungen leben, in die Welt der Toten, sodass der Verstorbene, wenn er in richtiger Weise begraben worden war, durch göttliche Kräfte das ewige Leben erlangen konnte. Demzufolge wurde jede Person mumifiziert, die es sich leisten konnte.

 

Heute, liebe Gemeinde, wissen wir, dass unser Körper wieder zu Erde wird. Allerdings wissen wir auch, dass der Tod unabänderlich zum Leben gehört. Leben und Tod sind so miteinander verbunden, dass Leben ohne Tod unmöglich ist, aber auch der Tod ist ohne Leben unmöglich.

 

Im Laufe der Geschichte haben unterschiedliche Religionen unterschiedliche Wege gefunden, wie sie ihren Anhängern das ewige Leben versprachen. Inmitten aller Religionen ist aber für mich der christliche Glaube ganz besonders: Damit meine ich nicht, dass ich andere Religionen negativ beurteile. Überhaupt nicht! Ich denke alle Religionen wollen Menschen zu besseren Zielen und besseren Lebensarten und Lebensformen führen. Die Besonderheit unseres christlichen Glaubens ist jedoch, dass er durch den Tod die Ewigkeit ermöglicht. Jesus Christus ist gestorben - in einem Alter von ca. drei und dreißig Jahren. Was heißt es nun, wenn ich sage, dass durch den Tod die Ewigkeit kommt? Wie können wir überhaupt Ewigkeit verstehen? Ist es ein Leben nach dem Tod, so wie eine Welt die völlig anders als unsere jetzige Welt? Liebe Gemeinde, ich möchte Ewigkeit so verstehen, dass sie das Zusammensein mit Gott und in Gott bedeutet. Dann kann ich die Ewigkeit nämlich auch hier in der Welt erfahren, wenn ich in der Welt mit Gott und in Gott bin. Ich weiß, dass mein Körper vergänglich ist, ich weiß aber auch, dass mir ein Geist gegeben ist, der mich unmittelbar mit Gott verbindet. Heute wissen wir alle, dass das Leben hier in der Welt immer auch ein Leben des Leidens und der Beschränkungen ist. Wir alle haben wahrscheinlich Krankheit, Schmerz, Tod und Verlust in unserem Leben erfahren. Wir standen vermutlich auch schon hilflos und ohnmächtig vor einigen schwierigen Situationen, wo wir gar nichts ändern konnten. Wir alle mussten schon von einem lieben Menschen Abschied nehmen, obwohl wir das uns früher gar nicht vorstellen konnten. In diesen meist schwierigen Momenten ist uns aber doch eine Hoffnung ins Herz gegeben, eine Hoffnung auf neues Leben, eine Hoffnung auf Heil und Erlösung. In den meist schwierigen Momenten konnten wir auch ahnen, wie das Leben noch weitergehen könnte. Wir konnten darauf vertrauen, dass unser geliebter Mensch bei Gott und mit Gott sein wird und ist. In diesen schwierigen Momenten wurde uns Trost aber auch Kraft in unserem Inneren gegeben. Liebe Gemeinde, das genau sind jene Momente der Kraft, des Heils und der Erlösung, die ich heute Momente der Ewigkeit nennen möchte, denn in diesen Momenten kommt Gott zu uns.

 

Aber warum sind diese Momente der Ewigkeit mit dem Tod verbunden? Was geschieht eigentlich, wenn wir mit dem Tod konfrontiert werden? Liebe Gemeinde, dadurch werden wir mit unserer eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Die Erfahrung des Todes eines geliebten Menschen zeigt uns, dass auch unser Leben ein Ende hat, und dass wir unser Leben nach dem Sinn des Lebens ausrichten sollen. Was ist aber der Sinn des Lebens?

 

In seinem Brief an die Römer hat Paulus geschrieben: (14, 7-9)

 

„Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber.

 

Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.

 

Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.“

 

Liebe Gemeinde, die Worte von Paulus öffnen für uns heute die Möglichkeit, das Leben anders zu sehen. Das Leben, mein Leben, ist nicht bloß ein Leben, das ich für mich selbst lebe, denn „unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber.“ Unser Leben ist uns von Gott gegeben, wir haben es nicht verdient und demzufolge ist das Leben ein reines Geschenk. Oft aber vergessen wir, dass das Leben ein Geschenk ist. In diesem Sinne erinnert uns der Tod daran, dass wir nicht der Herr über unser Leben sind. Der Herr ist Gott, auch wenn wir nicht alles verstehen und nicht genau beschreiben können wer Gott ist. Wir können es nur durch Vertrauen verstehen. Nur durch das innerliche Vertrauen wissen wir, dass wir zu Gott gehören. Und genau durch dieses innerliche Vertrauen wissen wir auch, dass wir - alle Menschen der Welt - zusammengehören, und dass wir einander brauchen, dass wir einander ergänzen und vollenden.

 

Liebe Gemeinde, der „Tod“ hat für uns auch eine weitere Bedeutung: Durch ihn werden wir demütig und begreifen die eigene Sterblichkeit. Nur dann können wir andere Menschen wahrhaftig lieben und ihnen vergeben. In diesem Sinne gehören zu den Momenten der Ewigkeit auch die Momente der Versöhnung, der Vergebung und der Liebe. Wann immer wir einem anderen vergeben und uns versöhnen kommt Gott zu uns und wohnt mitten unter uns. In diesem Sinne, sind die Liebe, die Vergebung und die Versöhnung die Vertreter der Ewigkeit für uns hier in der Welt.

 

Die heutige Botschaft, liebe Gemeinde, ist ganz einfach: Die Ewigkeit ist schon da, ganz präsent in der Erfahrung der Kraft Gottes, die uns in unserer Schwachheit gegeben wird, aber auch in der Erfahrung der Liebe, der Vergebung und der Versöhnung. Die Ewigkeit ist uns gegeben in dem Moment, wenn wir unsere Augen schließen und beten, denn in diesem Augenblick sind wir innerlich mit Gott verbunden. In diesem Moment des Gebets sind wir mit der Quelle der Liebe, der Kraft und der Versöhnung verbunden, aber auch mit allen unseren geliebten Verstorbenen, denn wir hoffen, dass unsere Verstorbene mit uns im Geist vereint sind. Wir hoffen und vertrauen, dass Gott in seiner Ewigkeit das Leben unserer geliebten Verstorbenen und das Leben aller Menschen der Welt zu sich nimmt und vollendet.

 

Heute danken wir Gott für die Liebe, die wir durch unsere geliebten Verstorbenen erfahren haben. Wir wollen auch den Verstorbenen vergeben, falls sie uns enttäuscht oder verletzt haben. Und falls wir den Verstorbenen Unrecht getan haben, und ihnen schuldig geblieben sind, bitten wir heute Gott um Vergebung. Heute beten wir auch, dass Gott in uns die Hoffnung schafft, die Hoffnung auf das neue Leben, die Hoffnung auf ein besseres Leben, die Hoffnung auf die Gemeinschaft der Heiligen, in der wir mit unserem Verstorbenen zusammenkommen. Heute beten wir mit der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und das ewige Leben! Nun geht hin mit Frieden, mit der Hoffnung und Freude, denn Jesus Christus ist von den Toten auferstanden! Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Amen!

 

Sylvie Avakian

 

25.11.2018

 

Unser Gott und Vater,

 

du bist unser Schöpfer und unser Wohltäter.

 

Du hast uns bereitet und gebildet,

 

du kennst uns besser als wir uns selbst kennen.

 

Du hast uns das Leben geschenkt

 

und wir können nur dafür dankbar sein.

 

Du kannst auch durch den Tod neues Leben schaffen.

 

Du kannst unsere Furcht und Angst in Frieden und Freude verwandeln.

 

Herr, wir bitten dich, dass du die Erinnerung an unsere Verstorbenen mit dem Advent, deinem Kommen und deiner Ankunft verbindest.

 

Hilf uns heute zu sehen, dass das Leben ohne Tod unmöglich ist,

 

und, dass die Auferstehung ohne das Kreuz unvorstellbar wäre.

 

Hilf uns Herr, dass wir unser Kreuz tragen

 

und, dass wir unser Leid und unseren Schmerz in deine Hände geben.

 

Stärke uns heute in unserem Glauben

 

und gib uns die Kraft, die wir für das Leben brauchen. Amen.