„Ich bin der gute Hirte“

„Ich bin der gute Hirte“

 

Johannes 10, 11-16

 

 

"Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.  Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie –,  denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich,  wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. 

Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.

Johannes 10, 11-16

 

 

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 Der heutige Predigttext stellt für uns ein Bild dar. Auf dem Bild sehen wir den Hirten mit seinen Schafen. Das Bild zeigt uns auch die Beziehung zwischen dem Hirten und den Schafen; eine Beziehung, die wir heute kaum mit Worten bezeichnen können. In den früheren Versen im Johannes Evangelium lesen wir: „Und er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgelassen hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme.“

 

Das Bild mit dem Hirten und der Schafe zeigt uns die Liebe Gottes, und ihr, liebe Kinder, habt diese Liebe ganz schön ausgedruckt:

 

"Ein kleiner Spatz zur Erde fällt und Gott entgeht das nicht;

 

wenn Gott die Vögelein so liebt, weiß ich, er liebt auch mich."

 

Eine ganz besondere Beziehung verbindet den Hirten mit den Schafen. Der Hirte kennt die Schafe. Wahrscheinlich kennt er jedes Schaf. Ich kann mir vorstellen, wie ein Hirte die Hand auf ein Schaf liegt und streichelt es, und er weiß welches ist es; er weißt wie er jedes Schaf von anderen unterscheidet. Der Hirte weißt auch was jedes Schaf mag und wo es am liebsten hingeht. Das Schaf wiederum fühlt sich bei dem Hirten sicher. Es kennt die Stimme des Hirtens und es weiß, dass der Hirte es auf einer schönen grünen Aue weiden und zum frischen Wasser, zu sprudelnden Quellen führen wird. Eine besondere Beziehung ist diese, die die Schafe mit dem Hirten verbindet, die aber überhaupt nicht so einfach und unproblematisch ist. Ich meine, man könnte ja sagen, wieso sollen wir nun über diese Beziehung zwischen einem Hirten und seinen Schafen nachdenken? Die Schafe sind ja nicht unbedingt klug. Sie wollen nur einen Weideplatz und brauchen immer Sicherheit. So geht es aber auch bei uns Menschen. Es ist nicht einfach und nicht unproblematisch die Menschen zu lieben. Nicht alle Menschen sind ansprechend, nicht alle sind freundlich und wohltuend, nicht alle sind klug, gesund und jung. Nicht alle sind liebevoll. Im Gegenteil erfahren wir oft, dass die Menschen egozentrisch sind, und genau deswegen denken wir, dass dieser oder der andere nicht wert ist geliebt zu werden. Das ist genau die Besonderheit der Beziehung zwischen dem Hirten und den Schafen in diesem Text, nämlich zwischen Jesus und seinen Jüngern. Auch wenn es die Jünger vielleicht nicht wert sind von Jesus geliebt zu werden, Jesus liebt sie und liebt allen Menschen und alle Kinder der Welt. Der Hirte kennt die Schafe, er kümmert sich um sie und lässt sogar sein Leben für sie. Dies alles beschreibt die Eigenschaften einer wahren Verantwortung von Seiten des Hirten. Und die Liebe ist im Grunde, liebe Gemeinde, nichts anderes als die Verantwortung, die wir gegenüber anderen Menschen tragen. Liebe ohne Verantwortung wäre unvorstellbar. Diese Haltung der Verantwortung bringt mit sich die Bereitschaft, dass der Mensch sein Leben für andere lässt, genauso wie der gute Hirte sein Leben für die Schafe lässt. Das wir andere Menschen und Kinder kennen, uns um sie kümmern und sogar unser Leben für sie geben, macht uns wahrhaftig zu einer Kirche und einer Gemeinde, denn die Kirche ist nichts anderes als die Menschen, die die Liebe Gottes teilen, die einander kennen, für einander sorgen und einander alles geben.  

 

Das Bild eines Hirtens birgt aber zwei Gefahren in sich. Erstens: Wenn wir Jesus nur als Hirten sehen, könnte es sein, dass wir von ihm nur Hilfe wollen, da wir uns mit den Schafen identifizieren. In diesem Fall würden wir die Verantwortung, die gerade beschrieben wurde, vermeiden und nur warten, dass uns geholfen wird. Demzufolge würden wir nicht in der Gemeinde selbst etwas initiieren wollen, sondern würden nur erwarten, dass jemand von der Gemeinde für uns sorgt, so ähnlich wie der gute Hirte.

 

Das wäre ein großes Missverständnis des Bildes. Natürlich dürfen wir Gott und anderen Menschen vertrauen. Dieses Vertrauen aber soll eines sein, das uns antreibt, selbst vertrauenswürdig für andere zu sein. Im selben Evangelium lesen wir, dass Jesus nach seinem Tod und der Auferstehung seinem Jünger am See Tiberias erschienen ist. Nachdem er mit seinem Jünger das Mahl gehalten hat fragte Jesus Petrus:

 

„Simon, Sohn des Jonas, liebst du mich mehr als diese? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe! Er spricht zu ihm: Weide meine Lämmer! Wiederum spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Jonas, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe. Er spricht zu ihm: Hüte meine Schafe! Und das dritte Mal fragt er ihn: Simon, Sohn des Jonas, hast du mich lieb? Da wurde Petrus traurig, dass er ihn das dritte Mal fragte: Hast du mich lieb?, und er sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge; du weißt, dass ich dich lieb habe. Jesus spricht zu ihm: Weide meine Schafe!“ (Johannes 21,15-17 / Schlachter Bibel). Jesus hat Petrus drei Mal dasselbe gefragt und dreimal hat er ihm befohlen, dass er sich um die Schafe kümmert. Jesus hat also seine Jünger mit seinem Auftrag betraut. Er hat sie ausgesandt und aufgefordert, Gottes Liebe in die Welt weiter zu tragen. Anders gesagt, aus unserem Glauben an dem guten Hirten folgt, dass wir auch den Auftrag annehmen, andere Menschen zu hüten und zu lieben. Somit ist die Aussage „ich bin der gute Hirte“ so eine Feststellung, dass der gute Hirte uns selbst zu Hirten macht.

 

Die zweite Gefahr, die mit dem Bild des Hirten und der Herde verbunden ist, steht schon im Text. Die Gefahr ist, dass wir dem Mietling oder dem Lohnarbeiter vertrauen statt dem wahren Hirten. Und wer ist der Mietling? Der Mietling ist derjenige, der obwohl sich verantwortungsvoll darstellt, jedoch bestrebt ist, nur seine eigenen Ziele zu erreichen. Er tut alles geschäftsmäßig und kaltherzig. Er glaubt, dass die Herde ihm gehört und somit ist er bereit sie auszunutzen.

 

Wenn der Lohnarbeiter den Wolf kommen sieht verlässt er die Schafe und flieht, denn er kümmert sich nicht um die Schafe, sondern nur um sich selbst. Zwischen dem Mietling und den Schafen besteht keine besondere Beziehung, keine wahre Verbindung des Herzens. Während das Herz des Hirtens für die Schafe schlägt will der Mietling nur sein Ziel verfolgen, auch auf Kosten des Wohlseins der Schafe. Daher ist der Lohnarbeiter wie ein Dieb, der nur kommt, um zu stehlen, zu töten und zu verderben. In der Welt gibt es viele Stimmen. Jede Stimme, die unter die Menschen Uneinigkeit, Zerstrittenheit und Grausamkeit fordert kann nicht die Stimme des guten Hirtens sein. Demzufolge soll unser Herz wachsam bleiben. Wir sollen die Stimme des Hirtens selbst in unserem Innersten hören und nicht einfach als Teil der „Herde“ dem schlechten Hirten nachfolgen. Denn wir kennen die Stimme des guten Hirtens. Der müssen wir folgen. Statt Streitigkeit und Uneinigkeit will der gute Hirte auch die anderen Schafe, die nicht zu diesem Stall gehören herzuführen. Er will, dass alle seine Stimme hören und alle miteinander eine Herde und ein Hirte werden.

 

Während der Loharbeiter die Gelegenheit, vor einer Herde zu stehen, zu seinen Zwecken benutzt, und alles tut um etwas für sich selbst herauszuschlagen, wollte Jesus nichts haben. Und genau deswegen, nämlich, dass er nichts haben wollte, geht es mit Jesus um eine wahre Beziehung. Es geht um eine Verbundenheit des Herzens, ein Gefühl, dass wir nicht allein gelassen sind. Jesus hat die Menschen begleitet, und begleitet uns auch heute durch den Heiligen Geist, aus dem einzigen Grunde, weil er mit den Menschen zusammen sein wollte. Er wollte nichts für sich und deswegen war auch sein Grab leer. Er ist für die Diebe gestorben und auch wenn er mitten zwischen zwei Dieben gekreuzigt wurde war er selber kein Dieb.

 

Um zusammenzufassen: Die Beziehung, liebe Gemeinde, liebe Kinder, mit Jesus, ist so eine Beziehung, die uns von allen unseren Sorgen befreit. Wenn wir zu Jesus kommen, können wir ihn vertrauen. Wir können Gott vertrauen und dieses Vertrauen ist so ein tiefes Gefühl, welches uns allen Zeiten begleitet und uns ermöglicht sogar andere zu hüten und zu lieben. Hier erinnern wir uns an die Worte des Apostel Paulus. Paulus hat die Christen so beschrieben: „als Betrübte, aber immer fröhlich, als Arme, die doch viele reich machen; als solche, die nichts haben und doch alles besitzen.“

 

Jesus hat gesagt: „Ich bin der gute Hirte“ (Joh. 10,11). „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8,12).

 

Den guten Hirten will ich auch vertrauen. Mit ihm will ich leben und sterben und zu ihm will ich für immer gehören. Amen.

 

 

 

Der HERR ist mein Hirte,

 

mir wird nichts mangeln.

 

Er weidet mich auf einer grünen Aue

 

und führet mich zum frischen Wasser.

 

Er erquicket meine Seele.

 

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

 

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,

 

fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

 

Gott, unser Vater,

 

hilf uns heute dir zu vertrauen

 

und zu verstehen, dass wir bei dir keine Garantien brauchen,

 

keine Beweise um an dich zu glauben.

 

Du gibst uns keine Sicherheiten, und versprichst uns nicht das sichtbar Gute.

 

Alles hast du schon gegeben, hilf uns, dich in alles was uns umgibt zu sehen,

 

hilf uns, deine Stimme zu hören.

 

Heute wollen wir dir vertrauen.

 

Wir wollen unsere Familien, Kinder, und Enkelkinder,

 

unsere Kirche, Schule und Kindergarten,

 

unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,

 

unsere Beschäftigungen und Träume,

 

wir wollen alles vor dir bringen,

 

und auch die ganze Welt, alle Kinder, Menschen und Völker.

 

Alles, was du uns gegeben hat, wollen wir nur dir anvertrauen.

 

Lieber Herr Jesus, unser guter Hirte,

 

wir wollen mit dir leben und auch sterben.

 

Hilf uns und schenke uns dein Geleit

 

durch den Heiligen Geist.

 

Denn du versprichst uns deine Gegenwart,

 

und dass du bei uns bleibst alle Tage bis an der Welt Ende. Amen.