Der Gefängnisaufseher

 

Der Gefängnisaufseher

 

Apostelgeschichte 16,23-34

 

 

„Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 

Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.

Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?

Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.“

 

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Liebe Gemeinde, im Zentrum des heutigen Textes stehen nicht nur Paulus und Silas, und das Ereignis ihrer Befreiung vom Gefängnis, im Zentrum der Geschichte heute steht auch der Gefängnisaufseher, dem die Aufsicht über Paulus und Silas anvertraut wurde und die Geschichte seiner Erlösung. Wer war aber dieser Gefängnisaufseher? Was können wir über ihn von der Geschichte kennen? Vor dem heutigen Text steht geschrieben, dass einige in der Stadt Philippi Paulus und Silas zu den Stadtrichtern gebracht und sie beide beschuldigt haben, dass sie die Stadt in Aufruhr bringen. Die Stadtrichter befahlen, dass Paulus und Silas mit Stöcken geschlagen und danach gut bewacht werden. Nachdem beide hart geschlagen wurden war es die Aufgabe des Kerkermeisters / des Aufsehers, dass er beide gut bewachen lässt. Und er hat das auch gemacht. Er warf sie „in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.“ Wir vermuten, dass der Kerkermeister keine andere Wahl hatte. Er war jemand, der die Befehle der Stadtrichter befolgen und gehorchen musste. Das war seine Aufgabe. Er konnte nicht, z.B. Teil an der Entscheidungsfindung haben. Von dem Text wissen wir, dass er mit Furcht uns Angst seine Aufgabe gemacht hat, denn wir lesen, dass er das Schwert zog und „wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen [Paulus und Silas] wären entflohen.“ Und nun frage ich mich: War es nicht so, dass der Kerkermeister, dessen Aufgabe die Aufsicht über die Gefangenen war, selbst das Opfer seiner Arbeit und seiner Rolle in der Gesellschaft war? Saß er nicht selbst in dem Gefängnis, wo er die Aufsichtsperson war? Der Gefängnisaufseher war selbst eingesperrt in den täglichen Aufgaben, die zu ihm kamen ohne, dass er diese hinterfragen konnte.

 

Wenn wir nun über uns heute nachdenken, wird uns klar, dass wir oft auch die Opfer der Rollen sind, die uns in der Gesellschaft gegeben oder verteilt wurden, ohne, dass wir diesen unbedingt innerlich zugestimmt haben. Bald kommt die Kommunalwahl. An dem Tag werden Gemeinderäte, Kreisräte und die Mitglieder der Regionalversammlung gewählt. Jeder ist für seine Stimme verantwortlich. Obwohl die Wahl möglich macht, dass die Menschen Teil an der Entscheidungsfindung nehmen, bleiben noch einige Fragen offen: Welche Kriterien oder welche Faktoren bestimmen uns beim Wählen? Treffen wir wirklich freie Wahlentscheidungen? Oder lassen wir uns bestimmen von Ängsten oder anderen Dingen, die uns bedrohlich erscheinen? Eine wichtige Frage ist ob mit der Wahl unsere Aufgabe gegen die Gesellschaft erledigt ist, oder jeder von uns noch die Freiheit und die Verantwortung gegen sich und gegen die Gesellschaft trägt. Daher ist einen Unterschied zwischen zwei verschieden Verständnissen der Freiheit und des Friedens nötig.

 

„Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ (Johannes 14, 27)

 

Die Gesetze eines Landes versuchen Freiheit und Frieden im Land zu ermöglichen. Im guten Fall können die Gesetze äußerlich Freiheit und Frieden schaffen. Die Gesetze können aber keinen vollkommenen Frieden, keinen inneren Frieden schaffen. In diesem Sinne kann der Frieden, den uns die Welt verspricht, verfehlt sein. Deswegen soll nicht nur unseren Verstand, sondern auch unser Herz wachsam sein. Paulus und Silas wurden von den römischen Stadtrichter verhaftet und geschlagen. Sie wurden als Menschen, die die Stadt in Aufruhr bringen angeklagt. Und auch wenn Gesetze Freiheit und Frieden ermöglichen, diese sind allgemein, für allen gleichmäßig gegeben und diese obwohl sie oft gut sein können, sind aber nicht ausreichend. Die Gesetze konnten den Gefängnisaufseher nicht ändern. Ganz im Gegenteil blieb seine innerliche Freiheit durch die Gesetze eingesperrt. Nur der Frieden und die Freiheit, die wir in Jesus und durch Jesus erfahren ändern uns, denn diese können unser inneres Selbst befreien und uns den Frieden in unserem Herzen schenken. In einem Augenblick der Enthüllung wurde das Leben des Gefängnisaufsehers geändert. In einem Augenblick erfuhr er die Freiheit und den Frieden Christi, und diese wirkten wie ein Erdbeben in seinem Innersten. In zwei Sätzen lesen wir über das Geschehen: „Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!“ Und im nächsten Vers: „Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen.“ In diesem Sinner dient die Erzählung des Wunders und des großen Erdbebens am Anfang des Textes als Einleitung für das wahre Erlösungswunder des Gefängnisaufsehers. Die Befreiung des Paulus vom Gefängnis war den Anlass für die innerliche Befreiung des Gefängnisaufsehers.

 

Und nun kommen die Kernverse dieser Erzählung. Diese beschreiben eine gewöhnliche Frage und eine gewöhnliche Antwort für eine Unterweisung über den Glauben und die Taufe. Der Gefängnisaufseher fragt: „was muss ich tun, dass ich gerettet werde? Und die Apostel antworten: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. …Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen.“

 

Nicht nur in den Worten der Unterweisung, sondern auch in der Haltung der beiden Apostel, nämlich, dass sie nicht aus dem Gefängnis geflohen sind, hat der Gefängnisaufseher den Frieden Christi gespürt. Der Gefängnisaufseher ist in diesem Augenblick verändert worden. Obwohl die Bedrohung und die Gefahr von der Seite der Stadtrichter immer noch da waren, ist er aber nicht mehr derjenige der sich den Gesetzen, den äußeren Vorschriften unterwirft. Er ist nicht mehr derjenige, der alles macht ohne nachzudenken und selbst zu entscheiden. Das Geschehen, liebe Gemeinde, war ein Geschehen der Erlösung, und die Erlösung ist nichts anderes als das Öffnen der Augen zu dem wahren Frieden und wahren Selbst in seiner Verbundenheit mit dem Erlöser.

Liebe Gemeinde, die Erfahrung des Friedens und der Freiheit, die Christus schenkt, das ist die Erfahrung der Erlösung. Denn nur Christus nimmt von uns unsere Gefangenschaften, unsere Furcht und Ängste und schenkt uns den Frieden, den niemand wegnehmen kann. Wir erfahren die Erlösung Christi, wenn wir den Frieden und die Freiheit in unserem Herzen haben und fühlen. Wir haben die Worte Jesu in der Schriftlesung gehört: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken! Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Matt.11, 28-30)

 

Die Erlösung Christi bringt Vertrauen und Verantwortung zusammen. Wir wissen, dass wir Gott völlig vertrauen können aber auch gleichzeitig, dass wir völlig für unsere Entscheidung Verantwortung tragen. Genau deswegen lesen wir auch, dass der Gefängnisaufseher „sich und alle die Seinen sogleich taufen [ließ] und führte [Paulus und Silas] in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.“ Nun haben Furcht und Angst nicht mehr eine entscheidende Rolle im Leben des Kerkermeisters, sondern Frieden und Freiheit. Mit der Wahl, liebe Gemeinde, endet unsere Aufgabe nicht. Jeder von uns, der in sich die Freiheit und den Frieden Christi trägt ist aufgerufen, wie Paulus, Silas und der Gefängnisaufseher, diese zu anderen weiter zu tragen.

 

Heute liebe Gemeinde ist der vierte Sonntag nach Ostern. Heute wollen wir auch Auferstehung als Erlösung verstehen. „Jesus ist auferstanden von den Toten“ bedeutet, dass der Tod Jesus nichts anhaben konnte. Und wenn wir an die Auferstehung Jesu Christi glauben werden wir auch wiederum den Tod nicht fürchten. Man entweder glaubt an die Auferstehung Christi, und ist dann selbst auf dem Weg Christus zu bezeugen und ist auf den Weg der Vereinigung mit dem auferstandenen Herrn, oder man glaubt es nicht und bleibt das Opfer des spirituellen, innerlichen Todes. Wenn wir aber an die Auferstehung Christi glauben sind wir auch errettet und der auferstandene Herr führt uns mit ihm zusammen ins ewige Leben, in die Freiheit, die von nichts mehr bedroht oder eingeschränkt werden kann.

 

Heute am Kantate Sonntag haben wir gehört, dass Paulus und Silas in dem innersten Gefängnis nichts gefürchteten, sondern sie beteten und lobten Gott und es hörten sie die Gefangenen, die auch nach dem Erdbeben nicht aus dem Gefängnis geflohen sind. Wieviel mehr sollen wir heute beten, singen, Gott loben und ihm danken für den Frieden, für die Freiheit, für die Erlösung und für die Möglichkeit diese mit anderen zu teilen. Amen.

 

 

 

„Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt,

 

da neigte er sich zu mir und erhörte mein Schreien.

 

Er zog mich aus der Grube des Verderbens,

 

aus dem schmutzigen Schlamm,

 

und stellte meine Füße auf einen Felsen;

 

er machte meine Schritte fest

 

und gab mir ein neues Lied in meinen Mund,

 

ein Lob für unseren Gott.“ (Ps.40)

 

 

 

Lieber Gott, unser Vater und Erlöser,

 

wir kommen heute zu dir

 

und wir wollen wie Paulus und Silas beten, singen und dich loben.

 

Wir wollen froh und zufrieden sein,

 

denn du hast uns gemacht, und nicht wir selbst,

 

wir danken dir;

 

„denn du, Herr, bist gut und vergibst gern;

 

und du bist reich an Gnade für alle, die dich anrufen“. (Ps. 86)

 

Öffne Herr unsere Augen, sodass wir dich sehen können.

 

Öffne unsere Augen, sodass wir andere Menschen sehen

 

und mit ihnen deine Liebe und Gnade teilen.

 

Gib uns deinen Frieden heute und immer

 

und hilf, dass dein Frieden in allen Ländern und unter allen Völker herrscht.

 

Hilf Herr, dass Kriege aufhören

 

und Feindschaften nicht das letzte Wort haben.

 

Heute beten wir besonders für die kommende Kommunal- und Europawahl.

 

Wir bitten dich, sei mit den Wählern und denen, die gewählt werden.

 

Gib allen deine Weisheit

 

und hilf, dass sie deine Wunder verkündigen und

 

deinen Willen zu tun begehren.

 

„Es sollen fröhlich sein und sich freuen in dir

alle, die dich suchen;

die dein Heil lieben,

sollen allezeit sagen:

»Der HERR ist groß!«

 

Bin ich auch elend und arm –

für mich sorgt der Herr.

Du bist meine Hilfe und mein Retter;

mein Gott, säume nicht!“ (Ps.40)

 

Amen.