(Abschiedpredigt)
Markus 9, 33-40, 49-50
"Und sie kamen nach Kapernaum. Und als er im Haus war, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg besprochen? Sie aber schwiegen; denn sie hatten auf dem Weg miteinander besprochen, wer der Größte sei. Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener. Und er nahm ein Kind, stellte es mitten unter sie und herzte es und sprach zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.
Johannes sprach zu ihm: Meister, wir sahen einen, der trieb Dämonen in deinem Namen aus, und wir verboten's ihm, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus aber sprach: Ihr sollt's ihm nicht verbieten. Denn niemand, der ein Wunder tut in meinem Namen, kann so bald übel von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Denn wer euch einen Becher Wasser zu trinken gibt deshalb, weil ihr Christus angehört, wahrlich, ich sage euch: Er wird nicht um seinen Lohn kommen. …
Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden. Das Salz ist gut; wenn aber das Salz nicht mehr salzt, womit werdet ihr's würzen? Habt Salz bei euch und habt Frieden untereinander!"
…………………………………………
Liebe Gemeinde, das Thema der Predigt heute ist die Nachfolge Jesu. Ich möchte ganz von Anfang an eingestehen, dass ich als Person hinter den vielen Zeilen der Predigt stehe. Im Predigttext, den wir gerade gehört haben, tauchen verschiedene Charaktere auf, mit denen sich jeder von uns identifizieren kann. Erst werden die Jünger Jesu erwähnt, dann Jesus, dann das Kind, das Jesus in seine Arme nahm. Etwas später hören wir von dem fremden Wundertäter, der im Namen Jesu Dämonen austrieb. Jeder Zuhörer, genauso wie jeder Leser eines Textes darf für sich entscheiden, welche Rolle für ihn besser passt.
Vor seinem Tod hat Jesus diesen den Jüngern angekündigt. Er hat ihnen erzählt, wie er überantwortet werden wird in die Hände der Menschen und wie sie ihn töten
werden.
Es wäre natürlich das Beste gewesen, wenn die Jünger die Worte Jesu verstanden hätten und sich den steinigen Weg, der vor Jesus lag, hätten vorstellen können. Dann hätten sie mit Jesus und mit seinen Qualen mitfühlen können. Die Jünger haben die Worte Jesu aber nicht verstanden. Sie haben es nicht sehen können, dass Jesus den Weg des Leidens und des Todes gehen würde und es auch wollte und dass er dafür seine Jünger vorbereiten wollte, sodass sie auch denselben steinigen Weg gehen können. Die Jünger haben es nicht begriffen, dass der Weg, den Jesus gewählt hat, kein einfacher Weg war, und, dass derjenige, der ihn nachfolgen will auch für sich keinen einfachen Weg wählen darf.
Jesus hat ihnen klar gesagt: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Markus 8,34) „Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener.“ (Markus 9,35)
In den ersten Jahrhunderten waren die Diener die Diakone, die neben Verkündigung während der gemeinsamen Mahlzeiten helfen sollten und wohl damit auch ihren Dienst der Eucharistie verbunden war. Die Jünger konnten sich aber nicht als Diener vorstellen. Sie haben sich wie Anhänger eines mächtigen Führers vorgestellt, und wollten wahrscheinlich selbst einen besonderen Stand in der Gesellschaft haben. Daher waren sie lediglich mit ihrem Ansehen und Ruf beschäftigt und mit der Frage: Wer sollte Jesus in seiner Ehre und Macht folgen?
Auf den Weg nach Kapernaum haben die Jünger Jesu gestritten: Wer ist der Größte? Wer wird den höchsten Status in ihrer Gesellschaft einnehmen? Was bedeutet es aber, liebe Gemeinde, der Größte oder der Beste zu sein? Ein Wettlauf z.B. zeigt wer am schnellsten läuft. Eine Prüfung kann zeigen, wer mehr weiß oder wer einiges besser macht. Die Frage ist, ob man auch ein besserer Mensch ist, wenn man etwas besser tun kann als ein anderer. Leider ist es oft so, dass wir uns mit solchen Ergebnissen identifizieren. Genauso wollte jeder von den Jünger Jesu den Wettbewerb gewinnen, nämlich Jesus ersetzen, wenn er stirbt.
Als Antwort nahm Jesus ein Kind in seine Arme. Ein Kind war zu dieser Zeit eine Unperson. Ein Kind konnte nur für Schwachheit und für den Mangel an Macht und Status in der Gesellschaft stehen. Jesus meinte, die Jünger sollten sich mit Kindern identifizieren. Die Jünger sollten wie Kinder von anderen abhängig sein. Sie sollten auf ihre Macht verzichten. Dieses Prinzip lehrte Jesus seinen Jüngern schon früher, „und gebot ihnen, nichts mitzunehmen auf den Weg als allein einen Stab, kein Brot, keine Tasche, kein Geld im Gürtel, wohl aber Schuhe, und nicht zwei Hemden anzuziehen. Und er sprach zu ihnen: Wo ihr in ein Haus gehen werdet, da bleibt, bis ihr von dort weiterzieht. Und wo man euch nicht aufnimmt und nicht hört, da geht hinaus und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie.“ (Markus 6,8-11)
Wir haben auch im Text gelesen, dass die Jünger sich später über einen fremden Wundertäter beklagen, der im Namen Jesu Dämonen austrieb. Die Jünger waren unzufrieden, weil der Wundertäter nicht zu ihrer Gruppe gehörte und genau deswegen haben sie ihm verboten das weiter zu tun. Sie haben wahrscheinlich gedacht, dass Jesus sie erwählt und für einen Auftrag bestimmt hat. Dieser fremde Wundertäter war aber nicht von ihnen. Wie wagte er, das zu tun, was eigentlich zum Auftrag den Jünger gehörte?
Diesmal antwortete Jesus: „Ihr sollt's ihm nicht verbieten.“
Liebe Gemeinde, Jesus ist nicht für eine Gruppe gekommen, die sich gegen Andere positioniert. Und das Reich Gottes dürfen wir uns nicht nach unseren Gesinnungen und Absichten vorstellen und andere davon ausschließen. Das Reich Gottes, liebe Gemeinde, kommt zu uns. Wir verdienen es nicht und besitzen können wir es auch nicht. Das Reich Gottes ist uns geschenkt. Daher dürfen wir niemanden auslassen, denn wir sind nicht die Herren des Reiches. Der Weg des Kreuzes ist eng, der aber über viele Höhen und Tiefen zum Reich Gottes führt. Wir können weder den Weg noch das Reich Gottes im Griff haben und deswegen dürfen wir niemanden ausschließen.
Heute wollen wir mit einander das Abendmahl feiern. Das Abendmahl ist für uns ein Bild für das Reich Gottes. Ein Bild wo das Zusammenhalten als Gemeinschaft uns bestärkt und uns die Vergebung, Freude, den Frieden und die Hoffnung schenkt.
Die Nachfolge, liebe Gemeinde, besteht also nicht darin, dass man nach einem höheren Rang strebt. Die Nachfolge Jesu ist durch den Weg des Kreuzes gekennzeichnet. Der Weg des Kreuzes, der das Böse und den Tod besiegt, und dann in den weiten Horizont des Reich Gottes mündet. Und deswegen ist er auch den Weg für ein neues und volles Leben. Ein Leben, das nur in und durch Gemeinschaft gelebt werden kann.
Wie können wir, liebe Gemeinde, heute die Nachfolge Jesu verstehen? Was sollen wir eigentlich tun? Wie findet man den Weg, den er gehen soll. Ich kann leider die Fragen nicht ganz beantworten. Der Weg muss jeder allein gehen und sich dafür entscheiden. Ich kann hier das Beispiel des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffers nennen, der in seiner besonderen Zeit den schwierigsten Weg gegangen ist. 1939 bis 1943 hat Bonhoeffer mit anderen den Weg des Wiederstands gegen den Nationalsozialismus gewählt und dafür hat er und andere mit ihrem Leben bezahlt. Der Theologe wurde 1943 verhaftet und 1945 durch Hängen zum Tod verurteilt. Über die Bedeutung der Nachfolge schrieb Bonhoeffer:
„Wie Christus nur Christus ist als der leidende und verworfene, so ist der Jünger nur Jünger als der leidende und verworfene als der mitgekreuzigte. Die Nachfolge als die Bindung an
die Person Jesu Christi stellt den Nachfolgenden unter das Gesetz Christi, d. h. unter das Kreuz.“
„… Kreuz ist Mitleiden mit Christus.“ Nachfolge, DBW Band 4, Seite 77 f, 79 f
Natürlich haben die Jünger nach Jesu Tod und Auferstehung seine Worte verstanden. Sie begriffen, dass durch das Verleugnen des Selbst und das Auf-sich-Nehmen des Kreuzes ein neues und wahres Leben möglich wird. Nach dem Tod und der Auferstehung Jesu gingen die Jünger selbst in die Welt. Sie brachten als Unbekannte und Fremde das Wort Gottes zu anderen und setzten sogar ihr Leben für Jesus ein und manche starben für ihn.
Heute, liebe Gemeinde, wenn ich zurück auf den Weg schaue, der hinter mir liegt, kann ich nur dankbar sein, denn in allen Wegen habe ich die Unterstützung der Gemeinde gefühlt. Dies wäre ohne Ihre Bereitschaft, auch auf andere zu schauen, unmöglich. Am Ende des heutigen Textes kommt die Bildrede vom Salz: „Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden.“ Das Feuer steht für Reinigung, denn wir hoffen, dass wir durch den Tod und Auferstehung Christi von all unseren Schwäche gereinigt werden können. Und das „Salz“ stellt uns ein Bild vom Opfer dar, so ähnlich wie die Opfer im Alten Testament, die gesalzen werden sollten. Genauso werden all die, die Jesus nachfolgen, ermahnt. Sie sollen wie die Opfer „gesalzen werden“. Daher sind wir, liebe Gemeinde, aufgerufen dem Nächsten in der Liebe zu dienen. Deshalb ist die Nachfolge Jesu aufwändig. Sie erfordert, dass man von sich selbst absieht und auf den anderen Menschen schaut. Denn auch wenn jeder für sich selbst entscheidet, den Weg der Nachfolge zu gehen, würde er den Weg nicht allein gehen können. Deshalb hat Jesus versprochen, bei uns zu sein. Und so hat er den Jüngern befohlen: „gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: … und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Amen.