Das Geheimnis des Glaubens

Das Geheimnis des Glaubens

 

Johannes 5,1-11

 (Schlachter Bibel)

 

„Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der auf Hebräisch Bethesda heißt und der fünf Säulenhallen hat. In diesen lag eine große Menge von Kranken, Blinden, Lahmen und Abgezehrten, welche auf die Bewegung des Wassers warteten. Denn ein Engel stieg zu gewissen Zeiten in den Teich hinab und bewegte das Wasser. Wer nun nach der Bewegung des Wassers zuerst hineinstieg, der wurde gesund, mit welcher Krankheit er auch geplagt war. Es war aber ein Mensch dort, der 38 Jahre in der Krankheit zugebracht hatte.

 

Als Jesus diesen daliegen sah und erfuhr, dass er schon so lange Zeit [in diesem Zustand] war, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser bewegt wird; während ich aber selbst gehe, steigt ein anderer vor mir hinab. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm deine Liegematte und geh umher! Und sogleich wurde der Mensch gesund, hob seine Liegematte auf und ging umher. Es war aber Sabbat an jenem Tag. Nun sprachen die Juden zu dem Geheilten: Es ist Sabbat; es ist dir nicht erlaubt, die Liegematte zu tragen! Er antwortete ihnen: Der mich gesund machte, der sprach zu mir: Nimm deine Liegematte und geh umher!“

 

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Das Geheimnis des Glaubens, liebe Gemeinde, liegt zum einen darin, dass man sich bewusst wird, dass alles was man ist und hat, und alle Hilfe im Leben, die man erfährt, nur von einem kommen, nämlich von Gott. Was bedeutet dieser Satz? Wieso verdanken wir unser Sein, was wir hier und jetzt sind, Gott? Sind wir nicht was wir selbst aus uns gemacht haben? Ist nicht unser Eigentum, unser Hab und Gut, was wir selbst durch Arbeit und Mühe verdient haben? Natürlich sind wir was wir aus uns gemacht haben und unser Eigentum ist durch Mühe und Aufwand zustande gekommen und das ist gut so.

 

Allerdings sind wir in unserem Bewusstsein von uns selbst, in unseren Bestrebungen und in allem was wir empfinden und was wir tun nicht allein. Es wäre ein Irrtum zu denken, dass wir selbst unser Leben geschaffen hätten und dass wir ohne die göttlichen Gaben mit unserem Leben klarkommen könnten. Wer von uns hat den Baum, die Sonne und den Fluss produziert und wer könnte ohne diese genauso gut leben wie mit diesen? Wer von uns kann alle Erschwernisse und Schwierigkeiten des Lebens überwinden ohne die göttliche Kraft und den Mut, der uns in unser Innerstes hineingegeben ist? Daher wollen wir sagen, dass wir Menschen im Leben nicht allein unterwegs sind und das ist auch gut so.

 

Im heutigen Predigttext ist beschrieben, wie viele Kranke, Blinde, Lahme und Ausgezehrte in den Hallen des Teiches beim Schaftor lagen als Jesus nach Jerusalem zog. Um gesund zu sein warteten die Kranken auf die Bewegung des Wassers, die nur durch die Wirkung eines Engels in Gang kam. Ich möchte heute diesen Text ganz symbolisch verstehen. Demnach steht der Engel in dieser Geschichte für das Göttliche und die Kranken stehen für das Menschliche. Die Menschen, mit ihren Krankheiten, mit ihren Fehlern und Schwächen, schaffen es nicht allein einwandfrei, makellos und gesund zu sein. Um dies zu erreichen, nämlich das makellose, vollkommene Sein, ist es notwendig, dass der Mensch sich zum Göttlichen hin öffnet, um sich mit dem Göttlichen zu vereinen. Dies wird im Text an der Stelle versinnbildlicht, wo der Mensch sich ins Wasser steigt. Wir Menschen, liebe Gemeinde, können all unsere Krankheiten, Fehler, Schwächen und Sorgen, sogar uns selbst auf Gott werfen und nur in und mit Gott können wir auf ein besseres Leben hoffen und mit Zuversicht und Vertrauen leben. Als Jesus den kranken Mann sieht, der seit 38 Jahren krank und noch immer dort beim Teich war, fragt ihn Jesus: „Willst du gesund werden?“ In dieser Frage, liebe Gemeinde, findet unser Glaube seinen Anfang. „Willst du gesund werden?“

 

Die Antwort des kranken Mannes ist noch unklar. Er sagt nicht einfach „Ja Herr, ich will.“ Stattdessen versagt er auch die Verantwortung seines Lebens zu übernehmen. Er begründet seine Situation; er hätte niemanden, der ihn in den Teich bringe, wenn das Wasser sich bewegte. Manchmal haben wir auch, so ähnlich wie dieser kranke Mann, keine klare Antwort auf die Frage, ob wir gesund werden wollen oder nicht. Manchmal sind die Beschwernisse und Betrübnisse des Lebens so hart, dass diese sich zu Verbitterungen entwickeln, die unsere Verantwortung verschleiern. Dann wird es für uns unheimlich schwer uns von diesen Verbitterungen zu befreien. Manchmal scheint das Leben ungerecht zu sein und wir, ganz allein verlassen, genauso wie dieser kranke Mann, der sagte, dass er niemanden hatte, der ihm hilft. Manchmal sind diese Beschwernisse durch unsere Fehler und Irrtümer zu solch einem Berg geworden, dass uns ein Rückweg, nämlich ein neuer Anfang, unmöglich zu sein scheint. Eine Antwort, oder eine Lösung, für diese Situation steht jedoch für uns in der Schriftlesung aus dem Buch Jesaja:

 

„Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück“ (Jesaja 38, 17); einer von den schönsten Versen der Bibel. Liebe Gemeinde, mitten in unseren Verbitterungen ist für uns ein Fenster offen, ein Fenster der Hoffnung, der Veränderung, der Verwandlung und des neuen Anfangs. Man muss sich nur hier bemühen das Fenster zu sehen und die Augen hoch zum Fenster, zum Himmel zu erheben, denn unsere Hilfe kommt nur von Gott. „Bis zum Morgen schreie ich um Hilfe; aber er zerbricht mir alle meine Knochen wie ein Löwe; Tag und Nacht gibst du mich preis. Ich zwitschere wie eine Schwalbe und gurre wie eine Taube. Meine Augen sehen verlangend nach oben: Herr, ich leide Not, tritt für mich ein!“ (Jesaja 38, 13-14)

 

Für uns, liebe Gemeinde, ist eins nötig, dass wir in allen Zeiten die Hoffnung nie verlieren; die Hoffnung, dass für uns einen neuen Anfang zu wagen möglich ist; die Hoffnung, dass wir nicht im Leben allein unterwegs sind. Das würde bedeuten, dass wir ohne Verzögerung gesund werden wollen. Wir wollen unsere Krankheiten und Schwächen auch die Fehler anderer Menschen hinter uns lassen, wir wollen es nicht erlauben, dass die Verbitterungen der Vergangenheit unsere Zukunft einformen. „Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm deine Liegematte und geh umher! Und sogleich wurde der Mensch gesund, hob seine Liegematte auf und ging umher. Es war aber Sabbat an jenem Tag.“ Als die Juden gesehen haben, dass der kranke Mann seine Liegematte aufhebt und wegläuft, haben sie ihn gewarnt, dass er am Sabbat die Liegematte nicht tragen dürfte. Er aber, so ähnlich wie früher, hat es noch einmal versäumt die Verantwortung seines Lebens und des neuen Anfangs zu übernehmen und antwortete den Juden. „Der mich gesund machte, der sprach zu mir: Nimm deine Liegematte und geh umher!“ Liebe Gemeinde, wenn wir sagen, dass alles was wir sind und haben nur von Gott kommt, dies bedeutet nicht, dass wir die Verantwortung unseres Lebens nicht tragen müssen. Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Wir sind aber beauftragt das Geschenk anzunehmen und das Leben mit Verantwortung zu führen. Daher ist zwischen uns und Gott eine zweiseitige Beziehung. Gott kommt zu uns und schenkt uns das Leben und wenn wir das Geschenk annehmen, können wir auch mit Verantwortung leben. Einen neuen Anfang zu wagen ist, liebe Gemeinde, nicht einfach und auf dem Weg werden uns immer wieder Hürden und Hindernisse begegnen. Da sollen wir den Mut und die Kraft, die uns im Herzen gegeben sind, nicht verlieren. Die göttlichen Gaben bleiben ohne die menschlichen Erwiderungen unentdeckt und verhüllt. Daher lasst uns heute Gott für alle Gaben danken und loben. Jedes Mal, wenn unsere Augen das Fenster der Hoffnung anschauen und das Licht des Lebens sehen loben wir Gott. Jedes Mal, wenn wir es nicht erlauben, dass Hindernisse und Erbitterungen uns zurückhalten, loben wir Gott.

 

„Denn die Toten loben dich nicht, und der Tod rühmt dich nicht, und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue; sondern allein, die da leben, loben dich so wie ich heute.

 

Der Vater macht den Kindern deine Treue kund. Der Herr hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des Herrn!“ (Jesaja 38,18-20)

 

Und wenn Jesus mich heute gefragt hätte: „Willst du gesund werden?“ Würde ich antworten: „Ja, lieber Jesus, ich will!“ Amen.

 

Sylvie Avakian

 

Dettingen, 27.10.2019

 

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Gott unser Vater,

 

der Grund und das Ziel unseres Lebens,

 

wir bitten dich: Komm heute zu uns

 

und hilf uns, dass wir dich sehen können.

 

komm und schenke uns Leben, ein Leben in seiner ganzen Fülle.

 

Komm Gott und erhebe uns von unseren Schwächen

 

und hilf, dass wir uns nach dir sehnen

 

und nach deiner Nähe suchen.

 

Komm Gott und schenke uns dein Heil

 

denn nur du kannst uns wieder gesund machen.

 

Wir bitten dich Gott, komm in unsere Welt,

 

komm zu allen, die unter Krankheiten und Schmerzen leiden.

 

Komm zu allen, die unter Ungerechtigkeit leiden.

 

und hilf, dass deine Gerechtigkeit den Weg zu unserer Welt findet,

 

sodass kein reich und kein arm, kein Unterdrücker und kein Unterdrückter mehr existieren,

 

sondern alle Menschen in Frieden und Würde leben können.

 

Komm Gott, denn meine Augen sehen verlangend nach oben

 

Tritt Gott für mich ein!

 

bis zum Morgen schreie ich um Hilfe

 

Du lässt mich genesen

nd am Leben bleiben (Jes.18,14-16). Amen.