Zum Ewigkeitssontag

Zum Ewigkeitssonntag

 

Johannes 5,24-29

 

 

"Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die Toten hören werden die Stimme des Sohnes Gottes, und die sie hören, die werden leben. Denn wie der Vater das Leben hat in sich selber, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in sich selber; und er hat ihm Vollmacht gegeben, das Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist. Wundert euch darüber nicht. Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts. Ich kann nichts von mir aus tun. Wie ich höre, so richte ich, und mein Gericht ist gerecht; denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat."

 

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Am heutigen Ewigkeitssonntag denken wir an unsere Verstorbenen, die uns im vergangenen Jahr verlassen haben. Manche von denen waren Ehefrauen, manche Ehemänner, manche waren Väter, Mütter oder Bekannte. Natürlich erinnern wir uns heute auch an alle unsere Verstorbenen, die vorletztes Jahr oder vor zehn oder zwanzig Jahren gestorben sind. Und natürlich können wir fragen: Warum gedenken wir heute unseren Verstorbenen und nennen auch ihre Namen im Gottesdienst? Zwei Gründe scheinen mir auf: Zum einen wollen wir für das Leben unserer Verstorbenen dankbar sein. Wir wollen Gott dafür danken, dass diese Menschen in unserem Leben waren. Sie haben unser Leben auf die eine oder andere Art bereichert. Wir haben durch sie etwas über das Leben, über Gott, über Liebe und Vergebung, über die Menschen, die Familie und Freunde erfahren. Auch wenn das Leben und die Beziehungen nicht immer ganz einfach waren.

 

Wir wollen heute dankbar sein nicht nur für die eine oder die andere Gabe, die die verstorbene Person hatte, sondern für das ganze Leben der verstorbenen Person. Das ist oft während des Lebens eines anderen Menschen nicht so einfach.Da wir erst die Bedeutung des Menschen und die Wichtigkeit seines Lebens im Ganzen nach dem Tod erfahren sichtbar und fühlbar. Im Leben und in unseren Beziehungen mit den Mitmenschen beeinflussen unsere eigenen Ansichten und Standpunkte unsere Beziehungen mit den Menschen und wir werden oft zum Opfer unserer eigenen Konkurrenzgefühle, welche es verhindern, dass wir unsere Mitmenschen im Ganzen sehen und sie verstehen können. Wenn ich unter dem Druck dieses Konkurrenzgefühls bin, kann ich die ganze Wahrheit, nämlich die ganze Person, die mir gegenüber steht, nicht sehen. Und hier darf man natürlich fragen: wie komme ich zu diesem Sehen oder Begreifen der Person im Ganzem? Liebe Gemeinde, wir kommen dazu nur, wenn wir aufhören, die Person von unserer Perspektive aus zu beurteilen. Das heißt, ich kann einen Menschen erst sehen und richtig verstehen, wenn ich von meinen Beurteilungen oder Vorurteilen und von meiner eigenen Wertung frei bin. Erst dann kann ich den Worten des Anderen zuhören und verstehen was damit gemeint sind. Und das ist genau das, was im Zusammenhang des Todes geschieht. Mit dem Tod eines anderen Menschen hören unsere Konkurrenzversuche und damit auch unsere Beurteilungen auf. Mit dem Tod bekommt die Person unsere ganze Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit ist die Eigenschaft eines guten Zuhörens, was uns aber oft, wie gerade erwähnt, nicht gelingt. Daher sagen wir, dass unsere Verstorbenen noch mit uns leben und bei uns sind, wann immer wir an sie denken und sie und ihre Worte in Erinnerung behalten.

 

So war es auch mit Jesus. Die Herrlichkeit des Sohnes wurde erst nach seinem Tod erfahren und enthüllt. Obwohl die Jünger Jesu zwei oder drei Jahre mit Jesus gelebt haben, haben sie es nicht geschafft seine Herrlichkeit zu sehen und seiner Stimme mit ganzer Aufmerksamkeit zuzuhören. Sie waren so sehr mit sich selbst und mit ihren Konkurrenzgefühlen beschäftigt, dass sie die Worte Jesu kaum verstehen konnten. Erst mit dem Tod Jesu konnten die Jünger sich seine Worte in Erinnerung rufen und durch diese Worte haben sie die Auferstehung Jesu erfahren. Erst dann konnten sie an Jesus und an seine Auferstehung glauben, da er lebte und er lebt immer noch durch seine Worte und seinen Geist in allen, die an ihn glauben. Demzufolge wird die Auferstehung Jesu für uns wahr sein, wenn wir uns bereitmachen, den Worten Jesu in ganzer Freiheit zuzuhören.   Daher können wir heute den Tod und die Auferstehung Jesu als die zwei Seiten der einen und derselben Wahrheit betrachten, nämlich die Wahrheit seines Lebens, denn sowohl sein Tod als auch seine Auferstehung bezeugen nur eins, nämlich sein Leben. Daher sagen wir auch, dass ohne Tod die Auferstehung unmöglich ist, aber ohne die Auferstehung der Tod unvorstellbar wäre. In diesem Sinne wurde der auferstandene Herr in dem Moment des Todes lebendig.

 

Was meinen wir, wenn wir sagen: die Wahrheit des Lebens Jesu? Wir meinen wie Jesus sein Leben gelebt, wie er geredet und was er gesagt hat oder was und wie er alles getan hat. Erst nach seinem Tod konnten die Jünger sein ganzes Leben in Erinnerung rufen. Sie konnten die Ganzheit seines Lebens und die Vollkommenheit seines Auftrags als Sohn Gottes und Sohn des Menschen sehen und diese weitergeben sodass sie erst dann das Evangelium geschrieben haben. Und hier ist es hilfreich, darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Menschensohn“, der im Predigttext für Jesus steht, auf jeden Menschen hindeutet, denn die ganze Menschheit wird die Liebe Gottes erfahren. Daher können wir, liebe Gemeinde, auf die Vollkommenheit des Lebens unserer Verstorbenen hoffen, auch wenn ihre Leben fehlerhaft und unvollkommen waren. Auch wenn nicht alles ganz perfekt war, können wir heute mit Vertrauen hoffen, dass ihre Leben durch den Tod vollkommen geworden sind. Denn in uns allen, nämlich in unserem Inneren, ist eine Sehnsucht nach Gott gegeben. Diese Sehnsucht bleibt während des Lebens unvollkommen und nur durch den Tod wird diese erfüllt, sodass die menschliche Seele in Gott ruhen darf und die Verstorbenen in die Gegenwart Gottes aufgenommen werden. So verstehen wir auch die Verse aus dem Ersten Korintherbrief, die wir in der Schriftlesung gehört haben: „Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt.“ (1.Kor.15,42) Daher wollen wir heute für das ganze Leben unserer Verstorbenen dankbar sein und sie und ihre Worte immer in Erinnerung behalten. Und so werden auch unsre Verstorbenen in und mit uns bleiben.   

 

Zweitens, liebe Gemeinde, benennen wir unsere Toten heute Morgen vor den Herrn und können nicht umhin, dies mit der nüchternen Erkenntnis zu tun, dass unser Name eines Tages auf der Liste der Namen stehen wird, die vor dem Herrn genannt werden und, dass auch wir eines Tages sterben werden. Diese Erinnerung an unseren eigenen Tod soll uns in zweifacher Hinsicht helfen: Zuerst, dass wir uns der Notwendigkeit bewusst werden, das Wort besser zu hören. Das Wort ist hier, liebe Gemeinde, das Wort Gottes. Dies kommt auch zu uns durch die Stimme Christi, die wir in unserem Herzen hören. Und so steht im Johannes Evangelium geschrieben: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: „Es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die Toten hören werden die Stimme des Sohnes Gottes, und die sie hören, die werden leben.“

 

Zweitens, durch die Erinnerung an unseren eigenen Tod wird uns bewusst wie wichtig unsere Worte und Taten sind. Leider ist es oft so, dass wir in unserem Alltag kaum die Zeit haben unsere Taten und Worte zu überdenken. Oft reicht uns die Zeit kaum unsere Aufgabe zu erledigen und wir schaffen es nicht den Bedürftigen die Hand zu reichen oder ein tröstliches Wort zu dem zu sagen, der in einer schwierigen Situation ist. Wahrscheinlich denken wir, dass es noch möglich wird irgendwann uns mit unserem Bruder, oder Schwester, zu versöhnen. Die Erinnerung an unseren eigenen Tod macht uns aber bewusst, dass eines Tages unsere Bekannte und unsere Kinder sich an unsre Worte erinnern und für sich Sinn und Bedeutung in diesen Worten suchen werden.   

Liebe Gemeinde, liebe Familien und Angehörige der Verstorbenen, „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Denn uns ist versprochen, die Zeit kommen wird, „in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden“.

 

„Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“ (1.Kor.15,42-44).

 

Heute wollen wir Gott für das Leben von unseren geliebten Menschen danken und wir wollen darauf vertrauen, dass sie bei Gott gut aufgehoben sind. Vertrauen wir darauf, dass unsere Verstorbenen mit unserem himmlischen Vater vereint sind. Er wird auch unser Leben mit der Hoffnung auf die Auferstehung zu sich nehmen und es vollenden. Amen.

 

Sylvie Avakian

 

24.11.2019

 

 

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Unser Gott und Vatter

Du bist unser Schöpfer und unser Wohltäter

Du hast uns bereitet und gebildet

Du kennst uns besser als wir uns selbst kennen.

Du hast uns das Leben geschenkt

Und wir können nur dafür dankbar sein.

Du kannst auch durch den Tod neues Leben schaffen.

Du kannst unsere Furcht und Angst in Frieden und Freude verwandeln.

Herr, wir bitten dich, dass du die Erinnerung an unsere Verstorbenen mit dem Advent, deinem Kommen und deiner Ankunft verbindest.

Hilf uns heute zu sehen, dass das Leben ohne Tod unmöglich ist,

Und, dass die Auferstehung ohne das Kreuz unvorstellbar wäre.

Hilf uns Herr, dass wir unser Kreuz tragen

Und, dass wir unser Leid und unseren Schmerz in deine Hände geben.

Stärke uns heute in unserem Glauben

Und gib uns die Kraft, die wir für das Leben brauchen. Amen.