„Zwischen den Jahren, zwischen den Orten“

Zwischen den Jahren, zwischen den Orten“

 

 

Liebe Gemeinde, in diesem besonderen Gottesdienst zwischen den Jahren und zwischen den Orten kommen wir heute zu unserer letzten Station hier in Dettingen. Wir wollten heute einen Rückblick auf das vergangene Jahr werfen und uns nach dem neuen Jahr hin ausrichten. Diesen Gottesdienst haben wir aber auch Pilger-Gottesdienst genannt, denn wir wollten auf der Suche sein, auf der Suche nach einem tieferen Sinn und einer Bedeutung unseres Leben, besonders im Licht des vorstehenden Jahreswechsels.

 

In diesem Sinne möchte ich mit Ihnen einen Vers aus dem Johannes Evangelium teilen: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12,24)

 

Der Vers hindeutet, dass Leben durch den Tod möglich ist. Und ich würde heute nicht zögern zu sagen, dass das Geheimnis des menschlichen Lebens und auch des Glaubens mit dem Tod verbunden ist. Warum ist unser Leben und unser Glaube dem Tod zugeordnet? 

Liebe Gemeinde, hier ist mit dem Tod nicht nur der biologische Tod gemeint, obwohl Jesus auch durch den biologischen Tod gegangen ist. Hier ist mit Tod mehr die Bereitschaft des Loslassens gemeint und des Verzichtens auf alles was uns im Leben einen äußerlichen Schutz anbietet; da sie uns die Wärme gibt, die wir genießen und uns damit aufgehoben fühlen. Beispiele sind: die Familie, unser Haus, Freunde und auch unsere eigenen Erfahrungen und Kenntnisse und die Dinge, auf die wir uns etwas einbilden oder stolz sein wollen. Auf diese wollen wir oft nicht verzichten. Mit dem Tod ist dann hier gemeint, die Bereitschaft diese loszulassen. Mit dem Tod ist aber auch das Loslassen aller Vorstellungen, Vorurteile und Ängste gemeint, die uns für lange Jahre geprägt haben, welche aber unsere innerliche Freiheit und Frieden behindern.

 

Das ist wahrscheinlich eine von den schwierigsten Aufgaben des Lebens. Das würde bedeuten, dass der Mensch sich bereitstellt, alles was er im Leben erreicht hat loszulassen und zu einem Null-Punkt zu kommen. Das bedeutet auch, dass man immer wieder seine eigenen Vorstellungen, die für richtig und falsch stehen, und seine Maßstäbe offenlegt, so dass sie sich immer wieder verändern können.  In diesem Sinne ist der Tod der Tiefststand der Demut.  Ohne zum Null-Punkt zu kommen wäre ein neuer Anfang unmöglich. Ohne dass wir sagen: Jetzt bin ich bereit ganz vom Anfang anzufangen; dann bleiben wir bei unseren Überzeugungen, Meinungen und Vorstellungen aber auch bei unseren Ängsten und Befürchtungen stehen.

 

Durch die Bewegung von unseren eigenen Vorstellungen und Meinungen zum Null-Punkt vergehen alle unsere Ängste und Befürchtungen, aber auch alles was uns nicht wirklich gehört. Manches sollen wir in unserem Leben loslassen und nur dann können wir auf dem Weg zu unserem wahren Selbst sein.

Durch das Loslassen wird in unserem Inneren eine Leere geschaffen, ein Raum eröffnet, sodass wir neuanfangen können. Dieses Loslassen gehört vermutlich zu jeder Pilgerfahrt, denn im Leben hat der Mensch viel Schutz-und-Sicherheitsmittel, auf welche er verzichten soll um eine tiefere Bedeutung des Lebens zu entdecken.

 

Genauso können wir nicht ins neue Jahr gehen ohne, dass wir das Vergangene loslassen. Möge Gott uns allen helfen, sodass wir das vergangene Jahr mit allem Schönen und Gutem aber auch mit allem Harten und Betrüblichem loslassen können um das neue Jahr mit offenem Herzen empfangen zu können. Amen.