Eine Geschichte der Bekehrung

Eine Geschichte der Bekehrung

 

(Apostelgeschichte 10,21-35)

 

 

Die Geschichte von Kornelius fängt schon früher in diesem Kapitel der Apostelgeschichte an, wie wir in der Schriftlesung gehört haben. Kornelius war Vorsteher einer römisch-militärischen Einheit in Cäsarea, eine Stadt am Mittelmeer, Norden Israels. Er war ein frommer und gottesfürchtiger Mann, der, auch wenn er ein Römer, also Nichtjude war, die jüdische Stunde des Gebets beachtet hat. Das war die neunte Stunde, in unserer Zeit wäre es 15 Uhr, als Kornelius betete und einen Engel Gottes sah. Der Engel sagte Kornelius, dass er Männer nach Joppe (was heute Tel Aviv genannt wird, von Cäsarea 50 km entfernt) sendet sodass sie Petrus von dort abholen und zu ihm bringen. Und so hat Kornelius auch getan. Als Petrus am nächsten Tag auf das Dach des Hauses in Joppe stieg um zu beten wurde er hungrig. Da hatte er eine Vision und er sah ein Tuch vom Himmel herabkommen. Darin waren allerlei Tiere und Vögel. Und eine Stimme sagte: „Steh auf, Petrus, schlachte und iss!“

 

Ich habe in Erinnerung, dass, als ich diesen Text vor vielen Jahren gelesen habe, er mich erstaunt hat. Hauptsächlich fand ich das Bild des Tuches, das vom Himmel herabkam, mit den vielen Tieren, unglaublich schön und das Bild hat irgendwie meine Vorstellung nicht verlassen.

 

Mit dem Bild sind natürlich die Worte des Petrus und die Antwort, die er vom Himmel bekam, verbunden. „Nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Gemeines und Unreines gegessen. Und die Stimme sprach … zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein.“

 

Dieser Aufruf, und damit der verbundene Auftrag, die nach dem jüdischen Gesetz nicht erlaubte Tiere zu essen, wurde dreimal wiederholt und gleich danach wurde das Tuch wieder in den Himmel hinaufgehoben. Petrus konnte sich nicht vorstellen, dass er die jüdischen Gesetze brechen könnte. Wahrscheinlich wusste er genau was er essen darf und was nicht, mit wem er reden und sich an einen Tisch setzen darf und mit wem nicht. Diese waren so präzis und mit allen Details in den Geboten der Tora beschrieben. Er wurde aber für einen anderen Auftrag berufen, als er erwartete.

 

Als Petrus über die Vision noch ratlos war kamen die drei Männer, die von Kornelius gesandt wurden. Und hier beginnt der Predigttext für heute. So lese ich vom Buch Apostelgeschichte 10 weiter:

 

„Da ging Petrus zu den Männern hinunter und sagte: »Ich bin der, den ihr sucht. Was führt euch zu mir?« »´Wir kommen von` Hauptmann Kornelius«, antworteten sie, »einem frommen und gerechten Mann, der an den Gott Israels glaubt und bei der ganzen jüdischen Bevölkerung in hohem Ansehen steht. Er hat von einem heiligen Engel den Auftrag erhalten, dich in sein Haus einzuladen, um zu erfahren, was du ihm zu sagen hast.«

 

Als Petrus das hörte, bat er die Männer herein und sorgte dafür, dass sie bei Simon übernachten konnten. Gleich am nächsten Morgen machte sich Petrus mit ihnen auf den Weg, begleitet von einigen Brüdern aus Joppe. Am darauf folgenden Tag kamen sie in Cäsarea an. …Als Petrus durch ´das Hoftor` trat, kam Kornelius ihm entgegen … »Ihr wisst sicher«, sagte [Petrus] zu ihnen, »dass es einem Juden nicht erlaubt ist, engeren Kontakt mit jemand zu haben, der zu einem anderen Volk gehört, oder ihn gar in seinem Haus zu besuchen. Aber Gott hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass man keinen Menschen als unheilig oder unrein bezeichnen darf, ´nur weil er kein Jude ist`. Daher habe ich auch keine Einwände gemacht, als man mich einlud, hierher zu kommen. Und nun lasst mich wissen, aus welchem Grund ihr mich geholt habt!« Kornelius erwiderte: »Vor drei Tagen hatte ich mich zur gleichen Zeit wie jetzt, nachmittags gegen drei Uhr, hier in meinem Haus zum Gebet zurückgezogen, als plötzlich ein Mann in einem leuchtend weißen Gewand vor mir stand. ›Kornelius!‹ sagte er. ›Gott hat dein Beten erhört, und er weiß sehr wohl, wie viel Gutes du den Armen tust. Schicke daher Boten nach Joppe zu einem Simon mit dem Beinamen Petrus und lade ihn zu dir ein …“ Daraufhin schickte ich sofort ´einige Leute` zu dir, und du bist so freundlich gewesen, zu uns zu kommen. Nun sind wir alle hier in Gottes Gegenwart versammelt, um zu hören, was du uns im Auftrag des Herrn zu sagen hast.« - »Wahrhaftig«, begann Petrus, »jetzt wird mir ´erst richtig` klar, dass Gott keine Unterschiede zwischen den Menschen macht! Er fragt nicht danach, zu welchem Volk jemand gehört, sondern nimmt jeden an, der Ehrfurcht vor ihm hat und tut, was gut und richtig ist.“

 

__________________________________

 

Liebe Gemeinde, die Gesetze sollen den Menschen helfen, ihren Weg im Leben zu finden. Daher sind diese, und auch die menschlichen Gewohnheiten und Traditionen und all unsere Vorstellungen wie man alles im Leben macht von Menschen und für Menschen gemacht. Vom Gesetz her galten die Römer zu dieser Zeit den Juden als unrein. Gott ist aber Gott aller Menschen. Für Gott gilt die Unterscheidung zwischen rein und unrein, die Unterscheidung zwischen Konfessionen, Religionen und Kulturen, zwischen richtig und falsch nicht. Diese sind die Ergebnisse des menschlichen Tuns. Ich weiß, dass dies uns oft schwer fällt zu akzeptieren, denn wir sind für so viele Jahren in einer besonderen Art und Weise erzogen worden. Wir sind oft davon ausgegangen, dass unsere religiöse Prägung und Überzeugungen die einzige richtige sind und diese vom Gott übertragen wurden. Damit haben wir die Wege unseres Lebens finden können und das ist auch gut so. Diese Unterschiede und Unstimmigkeiten zwischen den Religionen und den Kulturen können und sollen auch nicht verschwinden oder untergehen, denn die Menschen sind unterschiedlich und haben auch durch die Jahre hindurch unterschiedlich gelebt und Vieles anders behandelt. Daher sind wir in der heutigen Welt herausgefordert nicht diese Unterschiede aufzuheben, sondern das Anderssein des Anderen zu akzeptieren, dem Anderen auf Augenhöhe begegnen zu können und sogar bereit zu sein von dem Anderen zu lernen. Wir sollten uns bewusst sein, dass die christliche Liebe und Zuwendung durch diese Unterschiede nicht eingeschränkt werden können.

 

In der heutigen Welt hören wir immer wieder die Frage: Wie können wir mit Menschen, die zu anderen Konfessionen, anderen Religionen, anderen Kulturen und Nationalitäten gehören, umgehen?

 

Diese ist keine einfache Aufgabe, da wir immer die Neigung haben zu versuchen, eine gemeinsame Basis zwischen uns und anderen Menschen zu finden, damit wir zusammenkommen können. Und die Herausforderung ist, dass wir den Anderen annehmen auch wenn wir mit dem Anderen keine Gemeinsamkeiten haben, die von außen sichtbar sind.

 

Man muss aber hier fragen, was wir mit Gemeinsamkeiten und was wir mit Unterschieden meinen. Mir scheint, dass wir Menschen Vieles gemeinsam haben. Als ich 2008 neu nach Heidelberg kam bin ich oft durch die mit Einheimischen und vielen Touristen überfüllten Straßen Heidelbergs spazieren gegangen. Oft wollte ich nur die Gesichter der Menschen anschauen um zu sehen wie sie lachen, wie sie miteinander reden, wie sie sich ärgern, wie sie weinen und traurig sind. Da habe ich erkennt, dass Menschen in den tieferen Momenten des Lebens ähnlich sind. Tief im Inneren ähneln sich die Menschen. Wo sind dann die Unterschiede zu sehen? Die Unterschiede sind einfacher zu merken, dafür braucht man sich keine große Mühe zu machen. Menschen die zu verschiedenen Kulturen oder Religionen gehören, lernen anderes, arbeiten anderes, planen für ihre Zukunft anderes, versichern ihr Leben anders, ihre Gesetze sind anders und ihr Geld wird auch anders ausgegeben. Zu diesem äußerlichen Bereich gehört alles was wir einfach mit richtig oder falsch bewerten.

 

Hier sind die Worte des persischen Sufi- Mystiker Rumi, der im 13.Jahrhundert lebte, besonders bedeutungsvoll: Ich zitiere: „Jenseits von Richtig und Falsch gibt es einen Ort, da treffen wir uns.“ Ich würde heute, liebe Gemeinde, nicht zögern zu sagen, dass Unterschiede unter den Menschen sich im öffentlichen Leben zeigen und die Gemeinsamkeiten, die oft unsichtbar sind, gehören dem innerlichen Sein des Menschen an. Eins bleibt noch zu sagen: Gott kommt zu dem Inneren des Menschen. Daher haben die äußeren Unterschiede keinen Einfluss und sie sind nicht fähig das Kommen Gottes zu den Menschen zu verhindern. Daher lesen wir weiter im selben Kapitel des Buches, dass die Gabe des Heiligen Geistes auch auf die Heiden ausgegossen wurde (V. 45), was die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, entsetzte.

 

Der Begriff „Dialog“, den wir heutzutage oft hören: „Dialog der Kulturen“ oder „Dialog der Religionen“, dieser Begriff „Dialog“ erfordert, dass zwei unterschiedliche Seiten miteinander ins Gespräch, in Berührung kommen, ohne dass eine Seite die Andere zu beeinflussen oder zu überzeugen versucht. Die gegenwärtige Verwendung des Wortes bezweckt ein friedliches Zusammenleben und eine gute Beziehung mit einem Anderen, auch wenn er anders ist als ich.

 

Daher gelingt es uns nur durch einen Dialog den Anderen richtig kennen zu lernen. Dieser Schritt ist in sich schon ein großer Schritt. Nur derjenige, der außerhalb seines eigenen Selbsts kommen kann, kann einen Anderen kennenlernen. Liebe Gemeinde, wir sind herausgefordert nicht nur mit denjenigen, die zu anderer Religionen oder Kulturen gehören ins Gespräch zu kommen, sondern auch mit denjenigen, mit denen wir seit vielen Jahren Probleme haben und denen die wir bis heute nicht vergeben konnten.

 

Diesen Schritt schaffen wir leider oft nicht, weil wir so sehr mit uns selbst beschäftigt sind und sehen den Anderen und auch die Welt nur durch die Augen, durch die Brille unseres Selbst. Wir müssen aber diese „Brille“ ablegen können um den Anderen richtig zu sehen. Dieses Ablegen unserer Überzeugungen und Ansichten ist nicht einfach. Aber nur durch diese werden wir es schaffen den Anderen wahrhaftig zu begegnen. Das war Auch für Petrus nicht einfach. Petrus musste sich ändern und ein großes innerliches Hindernis zu überwinden und dies zu überschreiten. Daher möchte ich heute diesen Text nicht als die Veränderung und die Bekehrung des Kornelius lesen, sondern als die Veränderung und die Bekehrung des Petrus.

 

Liebe Gemeinde, wir wollen den Anderen annehmen und mit ihnen zusammenkommen, denn wir wissen, dass „Gott keine Unterschiede zwischen den Menschen macht! Er fragt nicht danach, zu welchem Volk jemand gehört, sondern nimmt jeden an, der Ehrfurcht vor ihm hat und tut, was gut und richtig ist.“ (Apg. 10,34-35)

 

Wir wollen den Anderen annehmen, denn das Reich Gottes ist für alle Menschen und Jesus Christus kam zu den Juden und zu den Heiden und sein Tisch ist für alle offen. Und so schließe ich die Predigt heute mit dem Vers aus Lukas Evangelium, den wir als Wochenspruch gehört haben: „Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ (Lukas 13,29) Amen.