„Lasst uns hinüberfahren“!
Römer 5, 1-5 (6-11)
"Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.
Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird.
Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber
lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist."
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Liebe Gemeinde, an diesem zweiten Sonntag der Passionszeit möchten wir uns miteinander über das menschliche Leid Gedanken machen und auch sehen was die Bibel uns zu sagen hat, da wir
wissen, das Jesus selbst den Weg des Leides und des Schmerzes gegangen ist.
Paulus schreibt in seinem Brief an die Römer: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“
Der Apostel schreibt zu den Christen, die zu diesem Zeitpunkt, im ersten Jahrhundert, unter der Macht des Römischen Reiches leiden mussten. Die gewaltsame Kontrolle des römischen
Militärs und der soziale Druck auf die Christen, den Kaiser zu verehren, das alles war nicht einfach zu ertragen. Paulus erinnert die Christen in Rom, dass sie durch ihren Glauben gerechtfertigt
sind und dass sie Frieden mit Gott haben, einen Frieden, den das Römische Reich und das Pax Romana nicht schenken kann. Durch Jesus, schreibt Paulus, haben wir nicht nur Frieden, sondern stehen
wir schon in der Gnade Gottes. Wie kann der Mensch, auch in der Zeit der Gefahr und der Bedrängnisse des Lebens, erfahren, dass er in der Gnade Gottes steht?
In der Schriftlesung haben wir gehört, dass Jesus mit seinen Jüngern einem Sturm gegenübersteht, als sie im See Genezareth segelten, was den Jüngern große Sorgen bereitete. An dem
Abend sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Lasst uns hinüberfahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war“.
Wir können uns vorstellen: Es war Abend. Jesus ist mit den Jüngern in einem Schiff. Das Bild ist gewöhnlich, denn Jesus hat oft von einem Schiff aus gelehrt und die Volksmenge ist
dann zur Küste gekommen um Jesus zuzuhören.
„Und es erhob sich ein großer Windwirbel und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen.“ (Markus
4,37-38)
In der Antike standen das Meer und die Wellen des Meeres für Chaos, Gefahr und für das Böse. Ich glaube aber, die Fahrt über den See Genezareth hat hier weitere
Bedeutungen.
Ein Schiff stand für die frühen Christen, in der Zeit als das Evangelium geschrieben wurde, als Symbol für die Kirche. So wurde auch dieser Teil der Kirche, wo die Gemeinde während
des Gottesdienstes sitzt „Mittelschiff“ genannt. Die Fahrt Jesu mit den Jüngern stellt die Herausforderung dar, die den frühen Christen begegnete, zu den anderen, zu den nicht-Juden, zu gehen.
Und der Sturm auf dem See stellt die Stürme in der frühen Kirche unter dem römischen Reich dar, als die Christen versuchten, Jesu' Befehl „auf die andere Seite zu gehen“ auszuführen. Und wir
lesen, dass Jesus mitten drin in diesem Chaos und dieser Gefahr auf einem Kissen schläft. Offenbar fühlt er sich von den Gefahren des Sturmes nicht bedroht.
Dass Jesus den Sturm gestillt hat würde dann bedeuten, dass wir nur durch Jesus die Fahrt zur anderen Seite schaffen können. Und wenn wir Jesu Befehl hinüberzufahren und das Risiko
einzugehen ablehnen, bleiben wir auf unserer Küste gefesselt. Denn ist es einfacher in Sicherheit zu bleiben als Jesu Ruf zu erwidern.
Und Paulus schreibt in seinem Brief, dass wir durch unsern Herrn Jesus Christus Frieden mit Gott haben. Nicht nur dies, sondern er schreibt weiter:
„wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden“.
Mit diesen Worten meint Paulus wahrscheinlich, dass das Leid nicht das Ende ist, sondern Leid, Bedrängnisse und Schmerzen im Leben führen uns durch einen Prozess, vom Leid zur Geduld, zur Bewährung und zur Hoffnung. Und die Hoffnung lässt nicht zuschanden werden.
Das Überstehen der Schwierigkeiten ist möglich, denn Gottes Liebe und Gottes Geist ist uns in unsere Herzen gegeben. Die Liebe ermöglicht uns, den Schmerz und die Bedrängnisse
des Lebens zu ertragen. Und wenn wir es schaffen durchzuhalten, werden wir in uns ein tieferes Reservoir der Hoffnung entdecken.
Ich muss aber eingestehen, dass diese Worte des Paulus genauso zu erleben nicht einfach ist. Diese Worte klingeln auch nicht immer wahr, oder zumindest tun sie das nicht, wenn wir sie
durch die individualistische Perspektive unserer Gesellschaft hören, die typischerweise das Leid und die Schmerzen so begreifen als dass sie nur im Leben des Einzelnen und nicht im gemeinsamen
Leben von Gemeinschaften passieren. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich wann immer Teil an den Bedrängnissen den Anderen genommen habe, oder das Leid mit einem Anderen tragen durfte, ich es
geschafft habe, geduldig zu sein und ich habe erfahren können wie ich das Hoffen erlerne. Dies wäre aber viel schwieriger, wenn man sein eigenes Leid und eigne Bedrängnisse allein tragen muss.
Die Gefahr ist hier groß, dass der Mensch sich nicht gedulden kann, dass er die Hoffnung verliert. Liebe Gemeinde, das Sicherheitsgefühl, dass es besser wäre, wenn wir das Leben allein schaffen,
dass es besser wäre auf unserer Küste zu bleiben ist ein zweiseitiges Schwert, denn wir werden in diesem Sicherheitssystem ausgeschlossen und am Ende allein bleiben. Heute, liebe Gemeinde, ist
das größte gesellschaftliche Problem die Einsamkeit. Wir sollen die Fahrt zur anderen Seite schaffen; nicht nur für den Anderen, sondern auch für uns selbst.
Es ist so, liebe Gemeinde, wenn jeder von uns seine eigenen Schmerzen und Bedrängnisse hat und dies allein tragen muss wird er eher unwahrscheinlich Geduld, Bewährung und Hoffnung
erfahren. Wenn ich allein meine Bedrängnisse tragen muss werde ich es nicht schaffen mit Geduld durchzuhalten und mit Hoffnung wieder aufzustehen. Leid muss mitgetragen werden sonst wird es
unerträglich. Die Bereitschaft sich einzufühlen, mit dem Anderen nachempfinden zu können ist hier notwendig, was leider oft in unserer heutigen Gesellschaft fehlt. Das gehört, meine ich, zum
Wesen einer Leideserfahrung. Das Leiden allein wird zum Tod führen. Denn so verliert der Mensch die Hoffnung wieder aufzustehen. Jesus wollte auch, dass seine Jünger mit ihm sein Leid tragen,
dass sie bei ihm bleiben. Vor seiner Gefangennahme sprach Jesus zu den Jüngern und sagte:
„Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. Da sprach Jesus zu ihnen:
Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!“ (Matthäus 26,36-37)
Der Mensch würde es nicht schaffen die Bedrängnisse des Lebens allein zu tragen.
Und wenn wir fragen, wie schafft der Mensch durch eine Erfahrung von Leid, die er mit einem Anderen durchsteht, wieso schafft er sich zu gedulden? Wie kann es sein, dass der Mensch
die Hoffnung nicht verlieret? Ich meine, die Antwort liegt einfach in diesem Zusammensein. Wenn ich mit anderen eine Gemeinschaft bin, dann ist diese Kraft des Leidtragens schon da in diesem
Zusammensein und Zusammenhalt. Dann würde ich wieder aufstehen wollen, sodass ich auch die Anderen von ihrem Sturz schütze.
Und so schrieb auch Paulus im Plural und nicht im Singular: „wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung
aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden“.
Daher findet der Mensch Hoffnung in der Gemeinschaft. Er will, dass alles wieder gut wird. Die Liebe und Fürsorge, liebe Gemeinde, für andere Menschen, nur diese können den Menschen
aus seinem Leid herausziehen und ihn von seinem Schmerz befreien. Das ist so, weil nur die Liebe uns hilft, aus uns herauszugehen und anderen Menschen begegnen zu können, auch in der Zeit des
Leides und des Schmerzes. Nur die Liebe hilft uns und ohne diese bleibt der Mensch allein, hilflos und hoffnungslos.
„Lasst uns hinüberfahren“! Der Befehl Jesu betrifft uns heute. Eins bleibt noch zu sagen: Es ist so, dass auch wenn vieles von der Gemeinschaft abhängig ist, das Wollen zu der anderen
Seite hinüberzufahren, diese Bereitschaft mit einem Anderen zusammenzukommen, wird im Herzen jedes Einzelnen eintreten und gebildet.
Heute, liebe Gemeinde, am zweiten Sonntag der Passionszeit, wenn wir auch wie Jesus Leid und Schmerz in der Welt erfahren denken wir an die Worte Jesu:
„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh.16,33) Amen.
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Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist,
zu dir kommen wir heute,
mit unseren Freuden und unseren Betrübnissen.
Wir kommen zu dir, lieber Jesus,
Denn du bist den Weg vor uns gegangen.
Durch dich sind unsere Wunden geheilt
und in dir findet unsere Seele ihre Ruhe.
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist,
Du bist zu uns, den Menschen, gekommen,
und nimmst Wohnung in unserem Herzen.
Hilf, dass wir uns für dich öffnen,
und für dich und für andere
in unserem Leben Raum schaffen.
Schenke uns Gott Geduld und Ausdauer,
sodass wir wissen, dass wir in unserem Leid und unserem Schmerz
nicht allein sind.
Hilf Gott und lindere die Schmerzen aller Kranken
und das Leid Aller Trauernden
und befreie uns von aller Panik,
sodass wir mit Frieden leben
und die Stürme unseres Lebens nicht fürchten.
Heute beten wir für alle Leidenden in der Welt
für unsere Brüder und Schwestern in den Ländern,
wo ein gerechtes und würdiges Leben für die Menschen nicht möglich ist.
Heute beten wir für alle Opfer der Kriege,
für die Kinder, die Mütter und die Väter,
Wir beten für die jungen Menschen in diesen Ländern,
deren Jugend ohne Sinn und für nichts Gutes verschwendet wird.
Hilf Herr, dass Menschen die Hoffnung nie verlieren,
Hilf, dass sie nicht aufhören, sich für Gerechtigkeit
für Frieden und für ein besseres Leben einzusetzen.
Und hilf auch uns, sodass wir uns für Gerechtigkeit und für Gleichberechtigung
nicht nur der Frauen in unserer Gesellschaft,
sondern auch für alle Menschen in der Welt sorgen.
Wir kommen zu dir Gott
und wir bitten dich,
Gedenke unser Herr und zeige deine Barmherzigkeit. Amen.