„Jesus lebt, mit ihm auch ich“

„Jesus lebt, mit ihm auch ich“

 

(1.Korinther 15,20-28)

 

 

„Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt; er ist der Erstling der Entschlafenen geworden. Denn weil der Tod durch einen Menschen kam, so kommt auch die Auferstehung der Toten durch einen Menschen; denn gleichwie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in seiner Ordnung: Als Erstling Christus; danach die, welche Christus angehören, bei seiner Wiederkunft; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, wenn er jede Herrschaft, Gewalt und Macht beseitigt hat. Denn er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod beseitigt. Denn »alles hat er seinen Füßen unterworfen«. Wenn es aber heißt, dass ihm alles unterworfen ist, so ist offenbar, dass derjenige ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allen sei.“

 

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Paulus schreibt: „Denn weil der Tod durch einen Menschen kam, so kommt auch die Auferstehung der Toten durch einen Menschen“.

 

Wie können wir heute diesen Satz verstehen? Wenn wir probieren den Satz einfacher auszudrücken würde dies vielleicht wie folgt heißen:

 

Von einem Menschen kommt der Tod und von einem, die Auferstehung;  Von einem kommt die menschliche Natur mit ihren Grenzen, Ängsten und Sorgen und von einem die Göttliche, die zum Frieden und zur Freiheit führt; von einem kommen Verbitterungen und Enttäuschungen und von dem Anderen Hoffnung und Zukunft.

 

 

Paulus schreibt weiter:

 

„denn gleichwie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden.“

 

Wer ist aber Adam und wer ist Christus?

 

Adam ist der Urmensch, der alte Mensch. Er symbolisiert aber auch jeden Menschen. Adam erinnert mich an meine Grenzen, an meine Fehler, an die Unvollkommenheit des menschlichen Lebens. Er erinnert mich an mein irdisches Wesen. Und oft bleibe ich durch den alten Menschen in mir gefangen. Die Erfolge der Vergangenheit, die mich in meinem eigenen geschlossenen Selbst gefangen hielten, aber auch die traurigen Ereignisse und die Enttäuschungen des Lebens erlauben mir, und uns, oft nicht aus unserem alten Sein, aus unserem alten Adam herauszukommen.

 

Christus ist der neue Adam, der neue Mensch. Schon im Alten Testament gab es die Hoffnung auf einen Heiland, einen Heilskönig, einen Messias, der auch das Leid der Menschen ertragen und ihnen ein neues Leben schenken wird. Jesus ist der Christus, die erwartete Hoffnung der Menschen. Christus ist in mir alles was in mir Hoffnung und Liebe schafft. Er ist alles wofür ich mich bewege, voranschaue, alles wofür ich jeden Morgen aufwachen will. Er ist das Neue, das Erwartete, das an jedem Tag zu uns kommt. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

 

Jesus ist der Christus, der Messias, denn er hat durch seinen Tod den Tod—den alten Adam—besiegt. Natürlich könnte man hier fragen, was dies meint. Wieso kann jemand dadurch, dass er stirbt, den Tod besiegen? Und die Antwort liegt darin, nämlich, dass er den Tod nicht fürchtete und sein Leben aufgab—mit all seinen Grenzen, Enttäuschungen aber auch Erfolgen. Und so lebt er noch heute, auch wenn er starb.

 

Ist es nicht so, dass unser ganzes Leben sich zwischen den beiden Polen bewegt, zwischen Adam und Christus, Tod und Leben? Manchmal hat uns der alte Mensch so im Griff, dass wir nicht mehr daraus kommen können, es nicht mehr schaffen, die Hoffnung—den neuen Menschen in uns— zu erblicken.

 

Warum?

 

Uns für das Neue aufzumachen erfordert von uns Mühe und Kraft. Hier ist natürlich die innere Kraft gemeint, welche uns oft fehlt, weil wir von dem Alten so sehr gefangen sind, dass uns einfacher zu sein scheint, sich mit dem Alten zu genügen. Das Neue könnte Unklarheit, Unsicherheit und sogar Gefahr mit sich bringen. Und genau diese hat Jesus auch nicht vermeiden können und wollen. Und so sind wir auch eingeladen den Weg, den Jesus gegangen ist, auch zu gehen. Im Brief an die Hebräer heißt dies: „So lasst uns nun zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, und seine Schmach tragen!“ (Hebräer 13,13) Was ist denn mit der „Schmach“ Jesu gemeint, die wir zu tragen haben? In der Übersetzung der Basisbibel ist dies ein bisschen anderes ausgedruckt: „Wir wollen die Schande auf uns nehmen, die er zu tragen hatte.“ Was können wir uns hier unter „Schande“ und „Schmach“ vorstellen?

 

Mir fallen die Verse im Buch Jesaja ein:

 

„Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; wir sahen ihn, aber sein Anblick gefiel uns nicht. Verachtet war er und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut; wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt, so verachtet war er, und wir achteten ihn nicht.“ (Jesaja 53,2-3)

 

Natürlich sind diese Verse nicht explizit für Jesus gemeint, denn diese sind ca. sechshundert Jahre vor Christus geschrieben worden. Ich sehe aber Jesus in diesen Worten: „Er hatte keine Gestalt und keine Pracht…“ An einem Kreuz gekreuzigt zu werden, war damals die größte Schande und der größte Skandal. Wie können wir heute dies ertragen? Jeder hat dafür seine eigene Antwort, denn das Kreuz gehört auch zu unserem Leben.

 

Und genau das ist das Paradox, dass Jesus durch das Ertragen der Schande, nämlich durch den Tod am Kreuz, den Tod, der der letzte „Feind“ ist, besiegt hat. Und so lesen wir im Predigttext heute: „Als letzter Feind wird der Tod beseitigt.“ Der Tod ist das Letzte was besiegt werden muss, sodass es nicht mehr Angst und Furcht gibt, sodass nicht mehr meine Enttäuschungen oder Erfolge mich bewegen, sondern Gott alles in allen sei.

 

Und den Tod können wir besiegen, wenn wir ihn nicht mehr fürchten. Dies würde bedeuten, dass nur wenn ich den Tod akzeptiere, nämlich wenn ich mich mit dem Tod versöhne—und hier ist mein eigener Tod aber auch der Tod eines geliebten Menschen gemeint—nur dann kann ich auf die Auferstehung hoffen. Denn ohne Tod wäre die Auferstehung unmöglich.

 

Es war Anfang der 90er Jahre als wir in unserer armenisch-evangelischen Gemeinde in Aleppo erfahren haben, dass Saro, ein Kind einer Kernfamilie der Gemeinde Krebs hatte. Damals haben wir uns mit einigen Gemeindegliedern jeden Freitagabend zum Gebet in der Kirche versammelt. Wir haben für Saro gebetet, dass er wieder gesund werde. Damals war er drei. Nach einem Jahr hat die Familie entschieden wegen Saro in die USA zu immigrieren. Beide Eltern haben ihre privaten Praxen—der Vater war Zahnarzt und die Mutter Dermatologin—zugemacht und sind mit ihren beiden Kindern—Saro und seinem Bruder—von Aleppo nach San Jose-Kalifornien immigriert. Nach einer gewissen Zeit sind auch die Großeltern, um ihre Kinder unterstützen zu können, in die USA immigriert. Er war 6 als er in Kalifornien starb. Kurz vor seinem Tod ist aber seine Schwester zur Welt gekommen. Wir haben gehört, dass das Lächeln Saros Gesicht im Krankenhaus in den letzten Monaten seines Lebens nie verlassen hat und dass die Eltern und Großeltern, nach seinem Tod, ihren Trost in der Geburt von Saros Schwerster gefunden haben.

 

Natürlich kann man nun nicht sagen, dass Saro vergessen wurde.

 

Wie kann man vergessen? Wie kann so eine tiefe Wunde geheilt werden? Das Herz vergisst nicht. Es kann sein, dass das Herz dies tief im Inneren verbirgt. Es kann sein, dass man sich gewöhnt um weiterleben zu können, auch wenn der Schmerz nie vergeht und nicht einmal betäubt werden kann. Die Osterbotschaft lädt uns jedoch heute ein, uns mit dem Tod zu versöhnen. Der Tod gehört zu uns, denn wir gehören zur Erde und zur Erde werden wir zurückkehren. Der alte Adam ist in uns noch nicht völlig überwunden. Daher sind wir dazu aufgerufen, uns von Angst und Furcht zu befreien, denn nur dann werden wir durch den neuen Adam lebendig gemacht.

 

Das Annehmen des Todes ist die Vollendung der Liebe und nur dann nehmen wir die Schande auf uns, die Jesus zu ertragen hatte. Das göttliche Mysterium offenbart sich auch durch den Tod. Das ist die Bedeutung des Todes Jesu Christi und seiner Auferstehung. Demzufolge können wir den Tod und die Auferstehung Christi als die zwei Seiten desselben Ereignisses sehen. Und wir können weiterhin sagen, dass im Tod eines Menschen seine Auferstehung miteinbezogen ist.

 

Die Osterbotschaft lädt uns auch heute dazu ein, uns über unsere Ängste und Sorgen zu erheben und nur dann werden wir eine neue Sicht der Welt erlangen, sodass „damit Gott alles in allen sei“. Nur dann werden uns nicht mehr das Leid und Elend schrecken, sondern mit den Worten des österlichen Liedes—von Christian Fürchtegott Gellert—singen:

 

Jesus lebt, mit ihm auch ich!

 

Tod, wo sind nun deine Schrecken?

 

Er, er lebt und wird auch mich

 

von den Toten auferwecken.

 

Er verklärt mich in sein Licht;

 

dies ist meine Zuversicht.

 

 

 

Jesus lebt! Nun ist der Tod

 

mir der Eingang in das Leben.

 

Welchen Trost in Todesnot

 

wird er meiner Seele geben,

 

wenn sie gläubig zu ihm spricht:

 

„Herr, Herr, meine Zuversicht!“

 

 

Jesus spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Johannes 11,25). Amen.

 

 

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Gott, Vater, Sohn, Heiliger Geist,

 

dir verdanken wir unser Leben, unser Sein.

 

Dir verdanken wir unsere Familien, Kinder und Enkelkinder

 

und nur dir vertrauen wir,

 

dass du all dies mit deiner Gnade behütest

 

und deiner Liebe bewahrst.

 

Du, HERR, „sei nicht ferne!

 

O meine Stärke, eile mir zu Hilfe!“ (Psalm 22,20)

 

 

 

Lieber Jesus,

 

du bist unser Heiland, unsere Hoffnung, unsere Freude.

 

Hilf uns, dass wir deinen Frieden haben

 

und deine Liebe, die stärker als der Tod ist.

 

Die Schmerzen unseres Lebens wollen wir vor dich bringen.

 

Die Enttäuschungen der Vergangenheit,

 

all unsere Misserfolge und unser Scheitern,

 

legen wir vor dein Kreuz.

 

Wir bitten dich, hilf uns dies zu ertragen,

 

Hilf uns auch, mit dir den Weg gehen zu können,

 

den Weg zu Gethsemane,

 

sodass wir mit dir sterben und mit dir

 

auch leben können.

 

Du bist Jesus auferstanden! Du bist wahrhaftig auferstanden!

 

 

 

Komm Heiliger Geist heute

 

und an jedem Tag.

 

Komm, und stärke uns,

 

komm und tröste uns,

 

komm und schenke uns ein reines Herz

 

und ein neues Leben.

 

Komm und durchdringe die Welt und verwandle sie,

 

Komm und schenke der Welt Heil und Trost.

 

Komm und schenke der Welt Frieden und Hoffnung.

 

Komm Heiliger Geist, wir warten auf dich. Amen.