„Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“

„Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“

 (Konfirmationspredigt)

(Psalm 23)

 

 

„Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

 

Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.

 

Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

 

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

 

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

 

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.“

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In diesem Satz liegt, liebe Gemeinde, die ganze Wahrheit unseres Glaubens. „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“

 

Der Herr ist unser Gott. Und dies ist in der ursprünglich hebräischen Sprache des Psalms angedeutet. Auf Hebräisch lautet es: [יְהֹוָה] JHWH [Jahweh] ist mein Hirte. Jahweh ist in der hebräischen Bibel die Bezeichnung Gottes und die Wurzel des Wortes ist das Substantiv [הָוָה] haya existieren, sein. Somit bezeichnet Jahweh denjenigen der ist, der Seiende, der zugleich die Quelle allen Seins ist, nämlich denjenigen der ins Dasein bringt, was da ist. Zugleich ist aber das Wort  Jahweh [JHWH] keine direkte, einfache Beschreibung Gottes und damit bleibt Gott ein Geheimnis; ein Geheimnis, dass sich offenbart und zeigt und dennoch verborgen bleibt.

 

In der Bibel und besonders in der Geschichte Moses erfahren wir, dass Gott sich als Jahweh offenbart. Dies können wir im 2.Buch Mose lesen:

 

„Und Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Kindern Israels komme und zu ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mich fragen werden: Was ist sein Name? — was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: »Ich bin, der ich bin!«“ (2.Mose 3,13-14)

 

Und nun, wenn wir es versuchen uns vorzustellen was dieses „Ich bin, der ich bin“ bedeuten würde, kommen wir zu den Gedanken, dass Gott immer war, ist und auch sein wird; „Er ist Der ist“. Durch diese Worte, die auf dem hebräischen Wort haya beruhen, ist Gott als derjenige beschrieben, der die Quelle allen Seins und Lebens ist. Allerdings in einer geheimnisvollen Art. Daher wird auch Jahwe im Alten Testament als der Schöpfer beschrieben; der Schöpfer, der das Leben schafft und immer weiter schafft solang das Leben weitergeht, denn er war, er ist nun und er wird sein, und ohne JHWH, ohne die Quelle des Lebens und des Atems, die für uns immer ein Geheimnis bleibt, wäre das Leben heute unvorstellbar. Und so können wir uns weiter vorstellen, was Gott als Jahweh uns heute sagen würde:

 

„Ich werde da sein

 

und bin immer da.

 

Ich bin der,

 

der dein Da-Sein möglich macht.“

(Spuren Lesen, Religionsbuch 3./4. Schuljahr)

 

Ab dem 3.Jahrhundert vor Christus wurde das Wort Jahweh [JHWH] durch zwei andere hebräische Worte ersetzt. Zunächst durch das Wort Elohim, was „Gott“ bedeutet. Einen Grund für diese Ersetzung war, dass das Wort „Elohim“ so gesehen wurde, als ob es universal mehr Souveränität hätte als das Wort JHWH. Das Wort „Elohim“ oder einfach „El“ [אֵל] war schon in anderen semitischen Sprachen als das Wort für „Gott“ bekannt. Und hier kann man die Beziehung zum arabischen Wort „Allah“ erkennen. Hinzu kam ein anderer Grund: Das Wort JHWH wurde zunehmend als zu heilig angesehen um ausgesprochen zu werden. So wurde es in jüdischen Ritualen mit dem Wort „Adonai“ ersetzt, was „Mein Herr“ bedeutet und dies wiederum in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments mit „Kyrios“ [Herr] übersetzt.

 

Dieser historische Überblick über das Wort Jahweh soll uns heute helfen, die tiefste Bedeutung von „Der Herr ist mein Hirte" zu erkennen, die der Psalm 23 behauptet. JHWH ist mein Hirte. Er ist der Anfang, die Gegenwart—auch unsere Gegenwart—und die Zukunft—auch unsere Zukunft. Jahweh ist der Hirte, der Wächter des Lebens. Er ist der Wächter meines und deines Lebens und der Hüter und Bewahrer allen Lebens und Seins.

 

Durch diese Erklärung „der Herr ist mein Hirte“ sage ich, dass ich nicht die Herrin meines Lebens bin. Und das ist die positive Seite der Verwendung des Wortes „Herr“, nämlich dass es uns daran erinnert, dass wir nicht die Herren unseres Lebens sind. Der Nachteil der Verwendung des Wortes ist jedoch der Verlust dieses lebhaften, geheimnisvollen Elements in Gott. Und so wurde Gott als ein Herr beschrieben, ein Herr, der von uns abgesondert und weit weg ist. In der Geschichte des menschlichen Denkens wurde Gott mehr und mehr verdinglicht und wie eine weltliche Tatsache, wie ein Ding in der Welt, behandelt.

 

Wir können, liebe Gemeinde, Gott nicht völlig begreifen und beschreiben, so wie wir ein Ding beschreiben können. Daher sind wahrscheinlich die meisten Ausdrucksformen der Verleugnung Gottes in der heutigen Welt Ausdruck der Verleugnung einer falschen Gottesvorstellung und der Verdinglichung Gottes. Gott als Jahweh würde ich aber nicht verleugnen können.

 

Er ist es, denn ihm verdanke ich mein Leben und Sein und nicht mir selbst. Er ist das was mich bewegt, er ist was mir den Atem schenkt, er ist der Weg, den ich gehe und das Leben, das ich lebe. Er ist alles. Er ist in mir und jenseits von mir und durch alles was er ist zeigt er mir den Weg, den ich gehen soll. Diese Quelle des Seins und Lebens ist in mir, da ich auch bin und existiere. Und in diesem Sinne sagen wir, dass Gott Geist ist und dass Gottes Geist auch in uns wohnt und von jedem von uns nicht weit ist.

 

JHWH ist aber nicht nur in uns, sondern auch in den Mitmenschen. Und so war er auch in Jesus Christus. In Jesus durften wir Gott, den wahren Hirten, erkennen. In ihm wurde das göttliche Geheimnis auf besondere Art und Weise offenbart, und in ihm konnten wir und können wir das Herz Gottes erfahren. Daher ist er auch unser Herr. So lesen wir die Worte Jesu, der sprach: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe“ (Johannes 10,11). Gott, JHWH, ist aber auch jenseits allen menschlichen Lebens. Er ist einfach jenseits von allem was wir sehen und erfahren können. In diesem Sinne sagen wir, der Herr ist der Vater, der Vater aller Lebenden und Sterbenden. Er ist kein starrer Gott, der unbeugsam ist, sondern eher wie ein guter Vater, der vergibt und eine Mutter, die liebt; eine Mutter, die sich freut, wenn die Kinder sich freuen und leidet, wenn sie leiden.

 

Der Herr ist mein Hirte bedeutet auch, dass eine besondere Beziehung mich mit dem Hirten verbindet. Er ist meins und ich bin seins. Ich verstehe ihn und er versteht mich. Der Hirte redet mit den Schafen. Er warnt sie, wann immer etwas Übles kommt und lässt sie nicht in Gefahr geraten. Wir hören die Stimme dieses Hirten im Herzen. Die Stimme hilft uns, immer die beste Möglichkeit und den besten Weg im Leben zu erkennen und diesen zu wählen. Manchmal ist der beste Weg der schwierigste. Wir können immer darauf vertrauen, dass derjenige, der unser Leben möglich macht, uns auch begleitet. Und so wird der Hirte bei uns und mit uns gehen. Wir können ihm folgen, so ähnlich wie die Schafe, die die Stimme des Hirten hören und ihm folgen. So heißt es auch im Psalm 23: „Er führet mich auf rechter Straße.“ In diesem Sinne ist JHWH nicht nur die Quelle des Lebens, sondern auch die Quelle alles Guten, denn er befreit die Menschen von allem Übel. Daher wird er in diesem Psalm wie ein Hirte beschrieben; ein Hirte, der seine Schafe mit Geduld und Behutsamkeit führt, damit sie das Leben haben und alles was sie zum Leben brauchen.

 

Vor diesem Hintergrund können wir erahnen, hoffen und glauben, dass wir in unserem Lauf nicht allein sind. In allem was wir tun begleitet uns der Hirte; der Vater und Schöpfer, der Sohn und der Heilige Geist.

 

Daher bedeutet „der Herr ist mein Hirte“ vor allem, dass wir tief im Herzen Gott vertrauen, genauso wie ein Schaf dem Hirten vertraut. Wir können darauf verlassen, dass sich der Hirte um uns kümmert und genau deswegen uns nichts mangeln wird. Dieses Vertrauen, liebe Gemeinde, darf uns an allen Tagen unseres Lebens begleiten; in den guten und schlechten Tagen, in den ruhigen und stürmischen. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass kein Tag vergeht, an dem ich nicht diesen Psalm bete. Daher ist Psalm 23 ein Vertrauenspsalm, ein Vertrauensgebet, ein Gebet, dass wir immer wieder im Herzen beten dürfen.

 

„Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Diese einfachen, schlichten Worte des Psalms 23 mögen Ihnen auf all Ihren Wegen Führung, Begleitung, Stärkung und Hoffnung schenken. And mögen Sie mit den Worten dieses Psalms für das Leben gut gerüstet werden, mit Geduld und Hoffnung, mit Freude und Liebe, und vor allem mit dem Vertrauen auf Gott, sodass Sie Ihre Lebenswege nie allein gehen müssen. Amen.

 

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Gott unser Herr

 

Unser Schöpfer und Vater, unsere liebevolle, sorgende Mutter,

 

Unser Hirte, unser Wächter und Behüter

 

unser Alles, was wir haben und sind.

 

 

 

Wir kommen heute zu dir

 

mit Dankbarkeit und Zufriedenheit,

 

für alles was du uns schenkst.

 

Wir kommen aber auch mit betrübten,

 

schweren Herzen, mit all den Schmerzen,

 

die viele Menschen in dieser Welt erleiden.

 

Viele leiden heute wegen Krieg,

 

Hass und Korruption,

 

wegen Naturkatastrophen und Waldbrände.

 

Wer wird sie schützen?

 

Wer wird sie trösten?

 

Wer wird die Menschen erhalten, wie der gute Hirte es tut?

 

 

 

Wir denken heute an Armenien, an Syrien und den Libanon,

 

an alle Länder und Menschen, deren Leben geraubt wurde,

 

deren Träume verschwunden sind

 

und deren Zukunft in Ungewissheit liegt.

 

Wer wird die Menschen trösten, wie der gute Hirte es tut?

 

 

 

Wir beten heute auch für alle, deren Herzen verdorrt sind,

 

die nicht mehr mitfühlen,

 

nicht mehr lieben und für andere sorgen können,

 

die nicht mehr beten und weinen können.

 

Wer wird ihre Herzen berühren

 

und ihre Seele erquicken, wie der gute Hirte es tut?

 

 

 

Wir kommen zu dir,

 

du, unser Hirte und unser Herr.

 

Hilf, dass wir deine Stimme hören und ihr folgen können,

 

dass wir dir von Herzen vertrauen,

 

und auch im finsteren Tal kein Unglück fürchten.

 

Denn du bist bei uns,

 

unser Herr, unser Hirte

 

dein Stecken und Stab trösten uns. Amen.