Die Geburt im Herzen

Die Geburt im Herzen

 

(1.Johannes 3, 1-6)

 

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt. Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist. Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht. Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde. Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen noch erkannt.“

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Heute ist Jesus geboren! Heute ist unser Heiland, unser Friedenstifter geboren!

 

Zu Weihnachten wollen wir alle, liebe Leserinnen und Leser, schon einiges vorbereiten, auch in diesem Jahr trotz aller Einschränkungen. Wir wollen unsre Häuser mit Weihnachtsbäumen, Lichtern und Weihnachtssternen schmücken. Dieses Jahr haben wir auch vor der Kirche die Figuren von Maria, Josef, dem Jesuskind und den Hirten aufgebaut. Wir backen für die Familie Weihnachtskekse und Plätzchen und verzieren diese schön. Das weckt Freude und macht etwas von der Wärme der Weihnacht spürbar.

 

Bei der Geburt Jesu geht es jedoch um mehr als nur die äußeren Schönheiten und die Leckereien dieser Zeit.

 

Die Geburt Jesu ist auch nicht nur ein Geschehen der Vergangenheit, an das wir uns an Weihnachten erinnern. Sie ist auch ein Geschehen unserer Gegenwart. Und das Fest der Geburt Jesu ist auch nicht bloß ein Gedenkfest, wo wir an die Geburt eines Kindes vor ca. 2000 Jahren erinnern wollen. Die Geburt Jesu ist so ein Ereignis, das wir nur verstehen, wenn wir es uns aneignen. Wie können wir die Geburt Jesu uns aneignen? Dies bedeutet, dass Jesus in unseren Herzen geboren wird und wir ihn im Herzen empfangen können. Daher bleiben all unsere Vorbereitungen und Freuden auf Weihnachten, auch wenn diese in diesem Jahr sehr beschränkt sind, unvollständig, wenn wir ihn nicht im Herzen aufnehmen. Wenn wir aber Jesus im Herzen hineinlassen, dann wird er in uns geboren. Er wird in meinem Herzen geboren und in mir leben und aufwachsen können. Und wenn er für sich im Herzen Wohnung nimmt, wird er es von allen Ängsten und Sorgen, von aller Bitterkeit und Traurigkeit der Vergangenheit befreien. Er wird mir und Dir ein neues, ein reines Herz schenken. Er wird mich und Dich zur Tochter und zum Sohn Gottes machen, so wie er der Sohn Gottes ist. Es ist in diesem Sinne, dass wir sagen, dass wir uns die Geburt Jesu aneignen. Und damit die Geburt des neuen Menschen in uns geschieht, es ist die Geburt der Tochter und des Sohnes Gottes in mir und in Dir. Im Johannesevangelium sagt Jesus zu Nikodemus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ (Joh. 3, 3). Die neue Geburt geschieht durch die Aufnahme Jesu und seinen Geist in uns. Dies kann sich an jedem Tag unseres Lebens ereignen. Das ist die Hoffnung unseres Glaubens. Jesus macht uns jeden Tag neu, wenn wir ihn ins Herz hineinnehmen. Dies verspricht uns heute der Predigttext: „Und jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.“ Es ist die Hoffnung auf das neu geborene Kind, die uns reinigt und neu macht. Durch seine Geburt im Herzen schenkt uns Jesus sein Licht, sodass wir nicht mehr in der Dunkelheit bleiben. In seinem Licht werden wir alles anders sehen können. Auch die Schwierigkeiten und Herausforderungen des Lebens werden wir anders betrachten. Zu diesen gehört gegenwärtig die Pandemie, die uns allen, auf die eine oder andere Weise, schwerfällt. Diese Schwierigkeiten werden uns aber die Hoffnung nicht nehmen können. Im Licht Jesu werden wir unser eigenes Selbst besser erkennen. Das Kind Jesus wird wie ein Spiegel unser wahres Selbst uns zeigen, unsere Schwächen, Misserfolge, Befürchtungen, aber auch unsere Talente, Wünsche und Träume für das Leben. Und deshalb sagen wir, wenn wir bei ihm sind, sind wir auch bei uns selbst. Er ist in diesem Sinne der wahre Mensch, der Sohn Gottes und der Erde, das Ebenbild Gottes, nachdem der Mensch, jeder Mensch, geschaffen ist.

 

Und so können wir Jesus sehen, wenn wir es erlauben, dass er in unserem Herzen geboren wird. Die Geburt Jesu im Herzen ist Das Geschehen des Glaubens. Denn erst wenn wir ihn im Herzen aufnehmen, werden wir ihn auch in der Welt sehen können. Dieses Sehen ist kein biologisches Sehen. Deshalb würden viele ihn nicht sehen können, auch an diesen weihnachtlichen Tagen. Maria und Josef haben das geschafft. Sie konnten in ihrem Leben und im Herzen für das Kind Raum schaffen. Das Kommen Jesu zur Welt wäre ohne Marias Aufnahme der göttlichen Botschaft unmöglich. Daher symbolisiert Maria die menschliche Bereitschaft zur Aufnahme Gottes ins eigene Leben. Gott zwingt sich uns nicht auf. Gott kommt zu uns wie ein Kind. Gott schafft es nicht allein zu uns zu kommen, wenn wir ihn nicht in unserem Leben aufnehmen wollen. In der Geschichte der Geburt Jesu sind die Hirten zu Jesus gekommen um ihn zu sehen. Auch die „Weisen aus dem Morgenland“, von denen das Matthäusevangelium erzählt, konnten Jesus sehen. König Herodes konnte sich hingegen gar nicht vorstellen, das Kind zu sehen. Er war so sehr mit seinen politischen Ambitionen und Berechnungen beschäftigt, dass ein Kind seine Fixierung auf die Macht nicht durchbrechen konnte.

 

Durch Erfahrung wissen wir, dass das Sehen Jesu keine feste, einheitliche Form oder Gestalt hat. Jeder sieht Jesus aus seiner Welt heraus, seiner Zeit und seiner Perspektive. Die Folgen dieses Sehens sind jedoch ähnlich: Das Sehen Jesu macht aus uns Kinder Gottes. Irgendwie verwandelt uns das in Krippen gelegtes Kind zu Kinder Gottes. Die Weihnacht ist daher auch mit Epiphanias verbunden, denn durch beide wird die Erscheinung Gottes im Menschen offenbar und dem Menschen wird ein Anblick Gottes geschenkt. Dies bleibt jedoch unvollständig, denn Gott bleibt für uns ein Geheimnis. Das Wichtigste, liebe Leserinnen und Leser, ist, dass wir für Gott offen bleiben, dass wir bereit sind für die neuen Wege Gottes. Dazu gehört, dass ich im Herzen einen freien Platz für Gott lasse. Wir können nicht alles im Leben planen und handhaben. Die Wege Gottes überraschen uns, wie diese Maria und Joseph, Zacharias und Elisabeth, die Hirten und die Weisen überrascht haben. Sind wir an diesem Weihnachten für Gottes überraschende Wege bereit?

 

Wenn wir Jesus sehen, werden wir unser eigenes Leben anders betrachten. Viele Dinge, die uns früher als unerlässlich erschienen werden wir für die Hülle und äußeren Schein eines inneren, verborgenen Wertes halten. Diese sind höchstwahrscheinlich Dinge, die uns von der Außenwelt zugestellt wurden; Dinge, die wesentlich uns nicht gehören.

 

Zugleich werden wir andere Empfindungen und Wahrnehmungen entwickeln für Dinge, die wir früher nicht sehen oder verstehen konnten. Nun können wir diese sehen. Wir werden ihren verborgenen Wert erfahren, denn wir werden die Welt durch die Augen Jesu sehen. Wenn wir Jesus im Herzen aufnehmen, wirkt er in uns. So werden wir die Hand den Armen reichen können und wie Jesus werden wir die Ausgestoßenen besuchen und mit ihnen feiern wollen. Wir werden die Bedürfnisse anderer Menschen sehen. Dieses Sehen kann nicht einfach gelernt, oder gelehrt werden, denn dies ist die Sache des Herzens und des Wirkens Jesu in uns.

 

Und so verändert Jesus unser Leben. Diese Aussage: „Jesus verändert mein Leben“ soll nicht in einem konkreten, faktischen Sinn interpretiert werden. Sachlich gesehen könnte mein Leben das gleiche bleiben. Ich werde neben all den schönen Momenten auch weiterhin mit Schwierigkeiten, Schmerzen und Krankheiten des Lebens konfrontiert. Es wird nicht alles perfekt sein. Das ist mit Veränderung nicht gemeint. Die Veränderung, die geschieht, wenn ich Jesus sehe, hat mit meinem Inneren zu tun. Ich werde ein neuer Mensch im Herzen sein, ein offener Mensch, ein freier Mensch, ein Kind Gottes.

 

Wenn wir Jesu Geburt uns aneignen wird er in uns geboren und durch uns auch leben. Er macht aus uns neue Menschen; die Söhne und die Töchter Gottes. Dann werden wir ihn auch heute wahrhaftig sehen können. Jesus ist geboren und erschienen! Für uns alle eine große Freude! Amen!