Brot und Wein

 Brot und Wein

 

(Matthäus 26, 17-29)

 

„Am ersten Tag der ungesäuerten Brote traten die Jünger nun zu Jesus und sprachen zu ihm: Wo willst du, dass wir dir das Passahmahl zu essen bereiten? Und er sprach: Geht hin in die Stadt zu dem und dem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; bei dir will ich mit meinen Jüngern das Passah halten! Und die Jünger machten es, wie Jesus ihnen befohlen hatte, und bereiteten das Passah. Als es nun Abend geworden war, setzte er sich mit den Zwölfen zu Tisch. Und während sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten! Da wurden sie sehr betrübt, und jeder von ihnen fing an, ihn zu fragen: Herr, doch nicht ich? Er antwortete aber und sprach: Der mit mir die Hand in die Schüssel taucht, der wird mich verraten. Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; aber wehe jenem Menschen, durch den der Sohn des Menschen verraten wird! Es wäre für jenen Menschen besser, wenn er nicht geboren wäre. Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: Rabbi, doch nicht ich? Er spricht zu ihm: Du hast es gesagt!

 

Als sie nun aßen, nahm Jesus das Brot und sprach den Segen, brach es, gab es den Jüngern und sprach: Nehmt, esst! Das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen denselben und sprach: Trinkt alle daraus! Denn das ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch aber: Ich werde von jetzt an von diesem Gewächs des Weinstocks nicht mehr trinken bis zu jenem Tag, da ich es neu mit euch trinken werde im Reich meines Vaters!“

 

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In dieser Nacht als Jesus das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern halten möchte, wird bald ein Krieg beginnen. Ein Kampf zwischen zwei Seiten, zwei Mächten, zwei Autoritäten. Wer sind sie? Welche Seite wird sich als die stärkere erweisen und die andere besiegen?

 

Auf der einen Seite steht Jesus. Und er ist gut auf den Kampf vorbereitet. Er kam auf einem Esel in Jerusalem eingeritten und wusste, was ihn dort erwartet. Er wurde von der Menschenmenge empfangen und wie triumphierender König gefeiert, der mit Palmzweigen begrüßt wird und über den Kleidern des Volkes reitend, in die Stadt seines Sieges einzieht. Auf der anderen Seite stehen die religiösen Autoritäten Israels: Kaiaphas, der Hohepriester, der in Jerusalem sein Sitz hatte. Mit ihm die obersten Priester, die Schriftgelehrten und die Ältesten des Volkes. Auch sie sind gut vorbereitet und haben sich sogar mit den römischen Autoritäten im Lande abgestimmt. Das Ziel Jesu ist es, diese Autoritäten zu konfrontieren, ohne Zögern, ohne Verhandlung, ohne Rückkehr. Welche Armee steht Jesus für diesen Kampf zur Verfügung? Zwölf Jünger, von denen die meisten sind einfache Männer: einige Fischer, ein Zöllner und ein Revolutionär. An ihrer Spitze steht Petrus als der Kommandeur, der später seinen Oberbefehlshaber Jesus mehr als einmal verleugnen wird. Einer seiner Soldaten, der der Kassenführer war, wird ihn verraten. Außer seinen zwölf Jüngern folgen ihm auch Frauen, die an seine Kraft glaubten und seinem Wort vertrauten. Auch sie wollen mit ihm kämpfen. Was sind seine Waffen? Hauptsächlich das Wort Gottes. Daneben auch Brot und Wein zur Stärkung und als Proviant seiner Kämpfer.

 

Der Krieg hat bereits eine längere Vorgeschichte, denn dies war und ist nicht der erste und nicht der letzte Kampf zwischen den beiden Seiten, zwischen Licht und Finsternis, zwischen der befreienden Kraft der Wahrheit und den Mächten des Bösen. Aber ohne Zweifel war und ist dies der Wichtigste in der Geschichte. Der Hintergrund des Kriegs ist aus dem Kontext dieses Abends ersichtlich. Es ist das Passahfest. Dieses jüdische Fest der Befreiung erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Sollte es auch den Jüngern zeigen, dass Gott auch sie aus der Sklaverei befreite? Sollte dieses Gedenken dazu dienen, die Jünger zu kräftigen, weil sie sich auf den neuen Kampf vorbereiten mussten? Sollte dieser Kampf auch alle Menschen von einer Art Sklaverei befreien? Auch wenn wir den genauen Grund nicht kennen, wissen wir, dass das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern ein Passamahl war. Im Predigttext finden sich Bezüge darauf. Jesus gibt den Jüngern die erforderlichen Befehle und Anweisungen: „Geht hin in die Stadt zu dem und dem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; bei dir will ich mit meinen Jüngern das Passah halten!“ Auf diesem letzten Abschnitt auf dem Weg in den Kampf sollten die Jünger gut gerüstet sein. Die Jünger befolgen die Befehle. Nun ist alles vorbereitet. Auf dem Tisch steht alles bereit, was man als Vorbereitung auf den Krieg benötigt: Ein festliches Essen, Brot und Wein, daneben Kräuter und Lammfleisch. Während die Jünger essen, sagt Jesus ihnen: „Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten!“ „Herr“, fragen sie, einer nach dem anderen, „meinst du mich?“ „Herr, doch nicht ich?“ „Der mit mir die Hand in die Schüssel taucht, der wird mich verraten.“ „Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: Rabbi, doch nicht ich? Er spricht zu ihm: Du hast es gesagt!“ Vielleicht wollte Judas durch seinen Verrat Jesus zum Widerstand aufrütteln, damit dann endlich das Reich Gottes hier und jetzt offenbart wird. Der Kampf Jesu war aber kein gewöhnlicher Kampf, bei dem derjenige gewinnt, der mehr Kraft und Waffen hat, der schlauer ist als seinen Feind. Und das Reich Gottes kommt nicht mit Gewalt und Zwang. Die Menschen seiner Zeit, und wahrscheinlich Judas, ja selbst die anderen Jünger, haben Jesus missverstanden. Sie dachten, dass er wie alle Könige und Herrscher dieser Welt kämpfen würde. Der Kampf Jesu war aber anders. Er stellte sich gegen die religiösen Führer seiner Zeit, die die Religion für ihren eigenen Gewinn ausnutzten, die Armen unterdrückten, den Fremden abwiesen, um ihre eigene Herrschaft zu sichern. Er stellte sich aber auch gegen die römische Obrigkeit, die ungerechten politischen Führer seiner Zeit, die bereit waren, die Wahrheit zu missachten, zu verdrehen und zu verschweigen, um ihre Macht zu sichern. Jesus trat beiden entgegen, nicht mit Schwertern oder Kriegstruppen, sondern mit dem Wort Gottes, dem Wort der Wahrheit.

 

Er hatte nichts zu verhandeln und nichts zu verlieren. Die Schriftgelehrten und Pharisäer nannte er Heuchler und blinde Führer, denn sie lehrten das Gesetz und hielten es selbst nicht. Denn sie vernachlässigten den Kern des Gesetzes, nämlich die Gerechtigkeit, die Barmherzigkeit und den Glauben! Sie lebten äußerlich rein und hatten alle Dinge nach den Reinheitsvorschriften gereinigt, aber innen waren sie voller Raub und Gier! (Matt.23,25)

 

Nun ist es soweit. Jesus gibt seine letzten Anweisungen an seine Jünger: „Nehmt und esst! Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“ „Trinkt alle daraus! Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“

 

Die Worte Jesu waren neu, unerhört. Es waren nicht die gewöhnlichen Worte, die traditionell schon immer beim Passahmahl gesprochen wurden. Jesu Worte sprachen von ihm selbst als dem Opfer, dem Lamm des Festmahls. Jesus wird selbst sterben. Einer für alle. Jeder, der das Brot isst und den Wein trinkt, ist mit Jesus, mit seinem Leiden und im neuen Leben verbunden. Das neue Leben, das er allen schenkt.

 

Die Wahrheit Jesu, für welche er gekämpft hat und gestorben ist, ist eine Wahrheit, die sich in Einmütigkeit, im Zusammensein, in Verbundenheit und in Gemeinschaft, in Brot und Wein offenbart. In Brot und Wein kommt Jesus, kommt Gott zu uns.

 

Beim letzten Abendmahl saßen auch Petrus und Judas mit Jesus am Tisch. Petrus und Judas, die ihn verleugnen oder verraten werden. Und das ist der Unterschied, liebe Gemeinde, zwischen der Welt und der Kirche. Die Welt ist am besten auf einem demokratischen System aufgebaut, in dem jeder seine Stimme hat und die Stimmen einander widersprechen können und je nach Ergebnis werden einige regieren und andere ausgeschlossen. Die Kirche ist aber tief im Inneren nicht auf Demokratie aufgebaut. Die Kirche ist tief im Inneren auf Einmütigkeit, auf Harmonie, auf Liebe gebaut. In der Kirche kommen alle zusammen. Keiner ist hier privilegiert und keiner wird ausgeschlossen. Brot und Wein sind für alle bestimmt. Und wann immer wir unser Leben für die Wahrheit einsetzen, für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, werden wir Anteil an Jesu Leiden haben und mit ihm auch leben. Amen.