„Alles wird gut“

 „Alles wird gut“

 

(2.Korinther 1,3-7)

 

 

„Gelobt sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, der uns tröstet in all unserer Bedrängnis, damit wir die trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden. Denn wie die Leiden des Christus sich reichlich über uns ergießen, so fließt auch durch Christus reichlich unser Trost. Haben wir Bedrängnis, so geschieht es zu eurem Trost und eurer Rettung, die sich wirksam erweist in standhafter Erduldung derselben Leiden, die auch wir erleiden; werden wir getröstet, so geschieht es zu eurem Trost und eurer Rettung; und unsere Hoffnung für euch ist gewiss, da wir wissen: Gleichwie ihr Anteil an den Leiden habt, so auch am Trost.“

 

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Der kurze Predigttext für heute wurde vor allem als „Hohelied des Trostes“ bezeichnet. Wir haben schon oft vom Hohelied der der Liebe im 1. Brief des Paulus an die Korinther (Kapitel 13) gehört, aber selten vom „Lied des Trostes“, das wir heute als Predigttext haben. Die Wiederholung des Wortes „Trost“ (auf Griechisch paraklésis), das in seinen verschiedenen Formen zehn Mal in diesem kurzen Text vorkommt, ist besonders auffällig. Und es scheint mir, dass Paulus in diesem Text neben anderen Erklärungen vor allem eins sagen will: Durch das Leiden können wir Trost im Leben erfahren, und dann auch andere trösten.

 

Das Leiden oder der Kummer von dem Paulus im Text spricht, könnte sich auf die eigenen körperlichen Leiden des Apostels beziehen, aber auch auf den Schmerz über die zerrüttete Beziehung, die er zu den Korinthern hatte, als er diesen Brief ans sie schrieb. Dieser Kummer, diese Bedrängnis ist jedoch mit der Verheißung des Trostes verbunden. Und so schreibt Paulus: „Denn wie die Leiden des Christus sich reichlich über uns ergießen, so fließt auch durch Christus reichlich unser Trost.“ Leid und Trost sind eng miteinander verbunden, auch wenn sie Gegensätze zu sein scheinen.

 

In einem ähnlich gegensätzlichen Sinne sagen wir, dass ohne das Kreuz keine Auferstehung gibt. Aber warum? Warum gilt dieser Satz auch für uns heute und nicht nur für Jesus. Was meinen wir, wenn wir sagen, dass es in unserem Leben ohne den Tod keine Auferstehung gibt? Die Auferstehung ist Auferstehung vom Tod. Wir müssen also durch den Tod gehen, um zur Auferstehung zu gelangen. Das lässt sich so verstehen, dass wir stark sind, wenn wir verletzlich sind. In unserer Verletzlichkeit zeigt sich unsere Kraft. Einige christliche Traditionen betonen die Auferstehung so sehr, dass sie das Kreuz nicht ausreichend betrachten. Aber damit kommen sie zu einem oberflächlichen Verständnis dessen, was Auferstehung ist, und behaupten, Freude zu haben, ohne Traurigkeit erfahren zu müssen, Triumph zu feiern, ohne Verlust zu erleben. Sie behaupten, dass das christliche Leben ein Leben des Triumphs ist, aber sie übersehen die andere Hälfte der Wahrheit, dass es um den Triumph über den Tod geht. Es ist nämlich ein Triumpf der Überwindung des Todes durch den Tod. In diesem Sinne können wir sagen, dass der Trost in dem Moment erfahrbar wird, in dem wir in unserem Herzen alles aufgeben, so ähnlich wie im Moment des Todes. Diejenigen, die im Moment des Todes alles aufgeben können, können auch friedlich einschlafen.

 

Wie kann es aber sein, dass wir im Herzen alles aufgeben, sodass wir Trost erfahren können?

 

Den Trost brauchen wir, liebe Gemeinde, in der Zeit der Bedrängnis und der Unruhe. Und die Unruhe in unserem Herzen kann viele Gründe haben. Wir können unruhig werden aus Sorge und Angst vor Gefahr, vor Krieg oder Krankheit, oder weil wir fürchten, etwas Wichtiges oder einen lieben Menschen zu verlieren. Und so verlieren wir die Ruhe in unserem Herzen. Aber wenn wir innerlich alles in Gottes Hand legen, nämlich alles aufgeben, worauf wir unser Vertrauen gesetzt haben, dann können wir Trost erfahren. Aber das ist sehr schwierig, weil es die Notwendigkeit impliziert, dass wir tief in unserem Herzen nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch unsere geliebten Menschen aufgeben, indem wir sie ganz und gar Gott anvertrauen. Dass wir unsere geliebten Menschen aufgeben, bedeutet nicht, dass wir sie nicht mehr lieben würden, sondern es bedeutet, sie Gott anzuvertrauen, der der Spender eines jeden Lebens ist. Denn wir haben niemandem das Leben geschenkt und können niemandem das Leben sicherstellen. Wenn wir unser Leben und das Leben unserer Lieben Gott anvertrauen, kümmern wir uns weiterhin um unser Leben und das Leben derer, die wir lieben, aber wir tun dies ohne Angst und Furcht. In dem Moment, in dem wir alles in die Hand Gottes geben, erfahren wir den Trost.

 

Heute erleben viele Menschen Kriegssituationen und Verluste. Wir selbst haben Sorgen um unsere Zukunft. Gelingt es uns und den anderen Menschen aber in Leid und Bedrängnis Trost zu haben werden wir noch stärker aufstehen als zuvor. Das bedeutet keineswegs, dass Verlust und Leid an sich gut sind. Ganz und gar nicht. Dennoch ist es wahr, dass Menschen, die nie Verlust und Leid erfahren, selten zu der Einsicht kommen, dass Gott selbst der Trost des Menschen ist. Wissen Sie warum? Weil wir den Trost am besten in den Zeiten des Verlustes erfahren, wenn wir alles verlieren und nur noch Gott haben. Wir könnten auch sagen, dass Gott selbst unser Trost sein wird.

 

Und das ist auch ein Grund, warum wir manchmal ruhelos und hoffnungslos werden. Wir möchten es oft vermeiden, im Leben Schmerz und Leid zu erfahren. Wir wollen nicht erleben müssen, was es bedeutet etwas zu verlieren oder nichts zu haben. Manchmal scheinen die Schwierigkeiten und Existenzkrisen im Leben wie ein Fluss ohne Ufer zu sein (wie der Roman von Hans Henny Jahnn lautet). In dieser Zeit können wir das Gefühl haben, im stürmischen, reißenden Fluss unseres Lebens keinen Anker zu haben. Wir versuchen dann oft unser eigener Anker zu sein und glauben, selbst alles im Griff haben müssen. Aber dadurch können wir den Trost nicht erfahren. Im Gegensatz dazu können diejenigen, die trotz Schmerz auch Trost erlebt haben, trotz aller Herausforderungen des Lebens zuversichtlich in die Zukunft blicken.

 

In diesem Sinne hat der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart Trost als Gelassenheit beschrieben; Gelassenheit in dem Sinne, dass der Mensch sich von seinen früheren Sorgen über das, "was ist", löst, so dass er sich ganz dem Göttlichen hingibt. Trost ist dann Sicheinlassen in die Zugehörigkeit zu Gott.

 

Oft aber gelingt es uns nicht, alles in die Hand Gottes zu legen. Was kann uns und anderen dabei helfen? Was kann Menschen helfen, die im Krieg alles verloren haben und Trost brauchen? Ich glaube, es sind die kleinen Gesten der Freundlichkeit, der Liebe und Unterstützung, die den Menschen aufrichten können, wenn sie in Hoffnungslosigkeit versinken. In den schwierigsten Zeiten des Verlustes sind Worte und Geste des Trostes und der Ermutigung, die wir zu den anderen sprechen oder tun äußerst wichtig und bedeutungsvoll. Durch diese Worte und Taten der Liebe und des Trostes nehmen wir am Werk Gottes teil, denn Gott selbst ist der Trost.

 

Der Trost, liebe Gemeinde, den wir in unseren Herzen und durch die Worte und Geste anderer erfahren dürfen, gibt uns in schweren Zeiten die Hoffnung, dass alles gut wird. Damit meinen wir nicht unbedingt, dass eine falsche oder unglückliche Situation behoben wird, so dass wir wieder glücklich sein können. Alles wird gut, nicht nur weil sich die Lebensumstände wieder ändern und wieder gute Tage kommen werden, obwohl das auch wahr ist: Gute Tage werden nach schlechten Tagen kommen. „Alles wird gut“ bedeutet aber mehr als nur das. Diese schlichten Worte drücken vielmehr unsere endgültige Hoffnung auf Gott aus, dass Gott selbst alles gut machen wird. Solch eine Verheißung ist in den Worten des Propheten Jesaja zu lesen, die wir als Schriftlesung gehört haben: „ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. … Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“. (Jesaja 66,12-13a) Durch diese Hoffnung und diesen Trost sind wir eingeladen, auch andere zu trösten.

 

Liebe Gemeinde, wir sind aufgerufen, auch in der Passionszeit, uns über die Auferstehung Christi zu freuen und mit dieser Freude und diesem Trost den Weg weiterzugehen. Ein solcher Trost hilft uns dem Leiden standzuhalten, und führt uns aus unseren engen Perspektiven hinaus in die Weite.

 

In diesem Sinne verstehen wir die Worte von Paul Gerhardt:

 

„Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod,

 

und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot.

 

Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll

 

Dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.“ Amen.

 

 

 

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Gott, du unser Trost,

 

komm zu uns heute, Morgen und an jedem Tag.

 

Gib uns Licht in der Dunkelheit

 

und Halt in den haltlosen Zeiten.

 

Gib uns eine neue Hoffnung, eine neue Freude,

 

jeden Tag mit dir neu zu beginnen.

 

Gib uns Kraft, die Schwierigkeiten des Lebens zu bestehen

 

und andere mit dem Trost zu stärken, den du uns schenkst.

 

 

 

Gott, der Trost aller Menschen,

 

komm heute und jeden Tag zu allen Hoffnungslosen und Heimatlosen,

 

komm heute und jeden Tag zu den Kranken und Müden,

 

zu den Schwachen und den Starken,

 

zu den Reichen und den Armen,

 

zu denen, die einen geliebten Menschen verloren haben

 

und die, die jeden Trost vermissen

 

und dich in ihrem Leben nicht mehr finden können.

 

 

 

Gott, du unser Trost,

 

gib uns den Mut, die Kraft und die Standhaftigkeit,

 

alles in deine Hand zu legen,

 

damit wir wahrhaftig mit deinem Trost leben

 

und andere in unserem Leben trösten können,

 

und uns so dir nähern,

 

Du, der du die Quelle allen Trostes bist,

 

unser Schöpfer und Tröster.

 

Amen.