Das Abendmahl

 Das Abendmahl

(1.Korither 10,16-17)

 

 

„Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist er nicht [die] Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht [die] Gemeinschaft des Leibes des Christus?

Denn es ist ein Brot, so sind wir, die Vielen, ein Leib; denn wir alle haben Teil an dem einen Brot.“

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Das Abendmahl, liebe Gemeinde, gehört zum Kern dessen, was wir als Kirche sind. Denn das Abendmahl offenbart das wahre Wesen der Kirche: nämlich, dass sie eine Gemeinschaft ist, in der alle Ihre Mitglieder zusammenkommen und zusammengehören. Die frühen Kirchenväter lehrten, dass alle, die an Christus glauben, zusammen einen Leib Christi bilden, so dass jeder Teil der ganzen Gemeinschaft, des einen Leibes, ist. Und so schrieb Paulus an die Korinther: „so sind wir, die Vielen, ein Leib“. Wir können uns so einen großen Leib Christi gut vorstellen und alle Menschen haben ihren Platz dort.

 

Natürlich hat die Kirche hier in der Welt auch andere Merkmale, zum Beispiel dass sie der Ort ist, an dem das Wort Gottes gepredigt wird. Die Kirche ist auch der Ort, an dem wir singen und beten, manchmal auch nur in der Stille. All das kann man aber zum großen Teil auch an anderen Orten tun, zu Hause, z.B., wenn man sich einen Gottesdienst im Fernsehen ansieht. Die Beziehung des Menschen zu Gott kann auch in der Natur voll und ganz zum Ausdruck kommen. Aber das ist nicht die ganze Geschichte des christlichen Glaubens. Etwas, was die Kirche von Anfang an bedeutet und ist, kann nur in der Kirche wahrgenommen werden: dass die Menschen, die zur Kirche gehören, als Gemeinschaft zusammenkommen und so den Leib Christi bilden. Sie bilden einen Leib, dessen Haupt Christus ist. Das ist, liebe Gemeinde, das Herzstück der Kirche.

 

Insofern wirkt die Feier des Abendmahls in zwei wichtigen Weisen auf uns: Die erste ist eine innerliche Wirkung, und besteht darin, dass uns durch das Abendmahl die Vergebung der Sünden geschenkt wird. Und so lauten die Einsetzungsworte: „das ist mein Blut … das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Wir können das als Glaubende in dem Sinne verstehen, dass das Brot und der Wein die Kraft haben, uns zu neuen Menschen zu verwandeln. Wir glauben, dass wir durch Brot und Wein den Leib und das Blut Jesu Christi in uns aufnehmen. Wir essen und trinken, damit sie Teil von uns werden; ein nicht von uns zu trennender Teil. Ein Stück von Christus kommt zu uns und verwandelt uns dadurch in einen Teil des ganzen Leibes Christi. Deshalb essen wir das Brot und trinken den Wein. Es ist ein Symbol dafür, dass wir mit dem Gekreuzigten und den Auferstandenen Herrn eins werden möchten. Wir glauben, dass der alte Mensch in uns mit den Sünden und Fehlern unserer Vergangenheit durch das Sterben Jesu vergehen und dass der neue Mensch mit den neuen Hoffnungen und neuen Lebenshorizonten durch seine Auferstehung in uns neugeboren werden kann.

 

Die zweite Wirkung des Abendmahls in uns richtet sich nach außen hin. Durch das Abendmahl erkennen wir, dass wir nicht allein in dieser Welt sind, sondern dass wir mit anderen zu Christus gehören als Glieder seines Leibes. In diesem Sinne, liebe Gemeinde, wir brauchen andere Menschen und andere brauchen uns. Dieses Bedürfnis des Menschen nach anderen können wir so verstehen, dass ich allein nicht vollständig bin, sondern dass ich mit und durch andere zu dem einen Leib Christi gehöre. Zum Glauben gehört dann auch die Herausforderung, den Glauben unter den Menschen und mit den Menschen zu leben, den Menschen zu helfen, zu vergeben, zu lieben, aber auch von ihnen Hilfe zu erbitten, von ihnen Vergebung zu erhalten und mit ihnen eine Gemeinschaft zu werden.

 

In diesem Sinne bedeutet „Gemeinschaft“ nicht nur „Zusammenhalt“, wie z.B. der Zusammenhalt unter den Mitgliedern einer Familie, oder der „Zusammenhalt“ in Zeiten der Not oder des Krieges, wie wir heutzutage oft hören. Obwohl das gut und notwendig ist. „Gemeinschaft“ im Sinne der Kirche ist jedoch mehr als das. „Zusammenhalt“ im ersten Sinne bedeutet Solidarität zwischen einer Gruppe von Menschen gegen eine andere Gruppe. Es geht also um das Wohlergehen dieser Gruppe, ob das nun eine Familie ist, oder eine Partei, oder eine Nation gegen andere ist. Dabei werden andere Gruppen oder andere Menschen außer Acht gelassen. Hier gibt es ein Element des „Ich“ und des „Wir“, das gegenüber dem „sie“ im Vordergrund steht. Aber „Gemeinschaft“ im Sinne der Kirche oder des Leibes Christi ist ein offenes Konzept. Denn wir sind nicht die Besitzer oder die Herren des Leibes. Den Leib Christi haben wir nicht unter unserer Kontrolle. Er ist der Leib Christi, und er wird es zulassen, dass zu ihm gehört, wer immer er will. In diesem Sinne können zum Leib Christi alle gehören, ohne Unterschied des Geschlechts, der Nationalität, der Partei, der Bildung und Begabung. Christus beruft die Menschen in derer Vielfalt und Verschiedenheit, sodass sie Teil seines Leibes werden.

 

Eins bleibt zu sagen, liebe Gemeinde. Die Geschichte vom Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern einige Stunden vor seinem Tod ist eine Geschichte der Liebe und der Leidenschaft. Jesus liebte seine Jünger so sehr, dass er an diesem besonderen Abend in ihrer Mitte sein wollte. Ich weiß nicht, was jeder von uns an besonderen Tagen gerne tun würde. Wenn wir Gäste bei uns einladen, Menschen die wir lieben, würden wir uns mit Freude darauf vorbereiten. Auch Jesus plante und bereitete sich auf das Mahl vor. Und so sprach er vor dem Mahl zu seinen Jüngern:

 

„Mich hat herzlich verlangt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide.“ (Lukas 22,14)

 

In anderer Übersetzung lautet es: „Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, mit euch dieses Passahmahl zu essen, bevor ich leiden muss“. (Hoffnung für all)

 

Jesus wollte mit seinen Jüngern sein letztes Abendmahl essen. Neben anderen hatte er Petrus an seinem Tisch, der ihn wenige Stunden später verleugnete und den Judas, der ihn schließlich verriet. Die Furcht vor dem Tod ließ ihn nicht zögern, auch diese Jünger zu lieben und sie an seinen Tisch einzuladen. Und wenn wir heute sagen, dass auch wir zum Tisch Jesu Christi gehören wollen, sind wir eingeladen, seine Liebe auf uns zu nehmen, die Liebe, die jenseits von Angst, jenseits von Selbstsucht ist.

 

Liebe Gemeinde, es sind viele Faktoren, die uns im Leben beeinflussen und uns zu denen machen, die wir sind: Die Gesellschaft, Traditionen, Behauptungen der anderen Menschen und wahrscheinlich auch die Medien. Gegen all dies bleibt nur die Liebe wirksam und beständig. Natürlich ist nicht alles falsch, was andere Menschen oder die Medien sagen. Trotzdem beschränken diese unser Denken und unsere Liebe. Und dagegen hilft nur die Liebe. Nur die Liebe kann uns vom alten Menschen befreien, mit all den Ängsten, den Befürchtungen und der Selbstbezogenheit, und uns zu neuen Menschen machen, zu liebenden Menschen.

 

Wir möchten heute das letzte Abendmahl Jesu feiern, weil wir die Liebe Jesu Christi auch heute leben wollen. Denn die Liebe stirbt nicht, auch nach 2000 Jahre nicht. Wir möchten nicht nur Gäste bleiben, sondern an der Liebe Christi teilhaben, in dem wir auch, wie er, andere lieben. Es ist die Liebe, die aus vielen Menschen einen Leib Christi macht, weil sie Platz für alle schafft, auch für diejenigen, die üblicherweise in der Gesellschaft nicht akzeptiert werden und an den Tischen nicht willkommen sind.

 

In diesem Sinne, liebe Gemeinde, bewirkt die Liebe in uns einen Existenzwandel. Das Brot, das wir essen, und der Wein, den wir trinken, kommen in uns hinein und finden ihren Platz in der Mitte unseres Herzens und unseres Seins und verbreiten von dort aus Liebe und Leben, so dass wir nicht mehr der alte Mensch sind, sondern eine neue Kreatur, geschaffen nach dem Bild Christi. „Denn es ist ein Brot, so sind wir, die Vielen, ein Leib; denn wir alle haben Teil an dem einen Brot.“ Amen.

 

 

 

Gott, unser Vater,

 

wir kommen heute als deine Kinder

 

Schwestern und Brüder in Christus.

 

Wir kommen mit dem Wunsch, eins zu werden,

 

eins trotz Verschiedenheit der Geschlechter,

 

Alter, Persönlichkeiten und Überzeugungen.

 

 

 

Jesus Christus,

 

du hast deine Jünger an deinem Tisch versammelt,

 

du wolltest mit ihnen essen, bevor du stirbst.

 

Du hast sie so sehr geliebt, dass du trotz deines nahen Todes

 

bis zum Ende geliebt und gelehrt hast.

 

Heute sind auch wir deine Gäste,

 

und wir wollen mehr als nur Gäste sein.

 

Während wir noch in deiner Gegenwart stehen, komm in unsere Herzen

 

und wasche sie rein von allen Makeln.

 

Komm in unsere Vergangenheit und verwandle sie in eine herrliche Zukunft.

 

Komm in unsere zerbrochene Welt,

 

gebrochen durch Mächte des Hasses, durch Konflikte,

 

durch Machtspiel und Kriege.

 

Schenke der Welt deinen Frieden, deine Liebe, dein Erbarmen

 

und hilf uns, deinem Vermächtnis der Liebe treu zu sein.

 

 

 

Komm, Heiliger Geist, und mach uns eins.

 

In all den Unterschieden kannst du uns vereinen,

 

In allen Konflikten kannst du deinen Frieden bringen.

 

In allen Nöten des Lebens bist du der Trost, den wir brauchen.

 

So wie du Jesus in den letzten Stunden seines Lebens gestärkt hast,

 

komm und stärke uns heute

 

damit wir, wie er, keine Angst haben

 

sondern wie er bis zum Ende lieben können. Amen.