Eine Botschaft der Hoffnung

 

Eine Botschaft der Hoffnung

(Ostermonntag: Emmausgang)

Jer. 31,31-34 (Lukas 24,13-35)

 

 

 

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

 

___________________________

 

Der Prophet Jeremia hat in einer sehr unruhigen Zeit in der Geschichte des Nahen Ostens gelebt. Er erlebte den Sturz der Assyrer und den Aufstieg des babylonischen Reiches zur beherrschenden Macht in der Region mit. Inmitten des Getümmels blieb das Königreich Juda erst unter dem assyrischen Einfluss. Das hatte aber eine Auswirkung auf die jüdische Religion, die von den mesopotamischen Göttern und ihrer Verehrung beeinflusst wurde. Der König Josia hat damals, mit Jeremias Hilfe, eine Reform gegen die Anbetung von Götzen durchgeführt und er hat das jüdische Gesetzt wieder erneuert (626-621 v. C.). Jedoch blieb die Reform schließlich, unter der Herrschaft der nachfolgenden Könige, nur ein äußerer Schein. Im heutigen Predigttext beschreibt Jeremia die Enttäuschung, welche der alte Bund gebracht hat. Im alten Bunde hatte Gott den Menschen seine Gesetze mitgeteilt und sie sollten entsprechend leben und den Gesetzen gehorchen. Der alte Bund funktionierte nach dem Grundsatz des Gebens und Nehmens. Gott gibt die Gesetze und die Menschen sollten sie befolgen. Denen den das gelingt verspricht Gott sein Heil und seine Erlösung. Damals litten aber auch die Priester unter Korruption und die falschen Propheten haben unwahre Botschaften gegeben. Sie haben das Wort Gottes nicht beachtet und selbst nicht danach gelebt. Sie haben den mosaischen Bund benutzt, um ihre äußerliche Gerechtigkeit zu erhalten und damit waren sie zufrieden.

 

Trotzdem bringt Jeremia eine gute Botschaft für die Menschen; eine Botschaft der Hoffnung. Der neue Bund, auf welchen er hindeutet, wird völlig anders sein. Gemäß dem neuen Bund soll das Gesetz Gottes in das Herzen der Menschen gegeben und in ihren Sinn geschrieben werden.

 

Was bedeutet aber, dass das Gesetz Gottes im Herzen und im Sinn des Menschen geschrieben ist?

 

Am Tag der Auferstehung Christi wollten zwei seiner Jünger nach Emmaus gehen. Ich kann mir vorstellen wie enttäuscht sie waren. Sie hatten wahrscheinlich große Hoffnungen auf diesen Menschen Jesus gelegt. Sie haben erwartet, dass er etwas Unerwartetes tun wird. Er sollte das Volk von den Römern retten genauso wie Gott im Alten Testament das Volk aus der ägyptischen Sklaverei gerettet hat. Stattdessen ist Jesus aber machtlos gestorben. Jesus ist gestorben? Konnte er nichts tun? Was sollen wir jetzt machen? Am besten kehren wir zurück zu unserem alten Leben. Der, der unser Retter sein sollte, ist gestorben. Auf ihrem Rückweg aber nähert sich Jesus den beiden Jüngern, und später, als er mit ihnen zu Tisch sitz, nimmt er das Brot, dankt und gibt es ihnen, und beide haben es in ihrem Herzen aufgenommen. Das war Jesus! Später sprechen sie untereinander: „Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“

 

Liebe Gemeinde, das ist genau was gemeint ist, wenn die Rede von einem Gesetz ist, das ins Herzen geschrieben ist. Manchmal brennt auch unser Herz in uns, und in einem Augenblick erkennen wir es auch, und eine Tür der Hoffnung öffnet sich vor uns und wir wissen, was wir tun sollen. Wir wissen es in einer Klarheit, viel besser als durch all Gesetze, die uns von außen kommen und uns sagen, was zu tun ist.

 

In diesem Sinne ist der Glaube, liebe Gemeinde, eine Sache des Herzens und nicht des äußeren Gesetzes. Heute sollen wir sehen, wie stark die Worte Jeremias waren und wie er die jüdische Religion grundsätzlich erschüttert hat: „nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, … sondern … Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und es in ihren Sinn schreiben“. Auf diese Weise verzichtet Jeremia auf mindestens drei grundlegende Elemente des Judentums, nämlich das Gesetz, den Tempel und das Verheißungsland. Und genau deswegen haben ihn die Priester und Richter seiner Zeit ins Gefängnis geworfen, in der Absicht, ihn zu töten (26,8). Jeremia war aber überzeugt, dass eine wahre Bekehrung zu Gott durch Gesetze, und durch den menschlichen Willen unmöglich ist. Gott selber wird das Herz der Menschen ändern und nur dann wird der neue Bund ermöglicht.

 

Wegen seiner Botschaft wurde Jeremia mehrfach verhaftet und gefoltert. Er ist als der Mann des Kummers, der leidende Prophet, bekannt. Seine Lebenserfahrung und seine Spiritualität hat die Spiritualität des Neuen Testaments beeinflusst und geprägt. Gott kommt zu uns nicht durch etwas Äußerliches, sondern er kommt zu uns in unsere Herzen.

 

Liebe Gemeinde, der Predigttext heute lädt uns ein, unseren Glauben zu verinnerlichen und ihn uns anzueignen. In diesem Sinne findet der neue Bund, auf den Jeremia hinweist, seine stärkste Verwirklichung nicht in einem Gesetz oder in einem Buch, sondern in einem Menschen, nämlich in Jesus Christus. Jesus hat den Bund zwischen Gott und den Menschen auf sich genommen. Der neue Bund ist nicht in Stein gemeißelt, sondern in das Herzen des Menschen. Jesus hat das Passafest des alten Bundes mit seinen Jüngern gefeiert. Nach dem Mahl nahm er den Kelch und sprach: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“ (1Kor.11,25) Auf diese Weise bringt uns das Brot innerlich zusammen mit Jesus Christus. Und es ist durch diese innerliche Verbundenheit, mit dem auferstandenen Herrn, dass wir auch am neuen Bund mit allen anderen Menschen teilnehmen und eine Gemeinschaft werden.

 

Wir sollten aber sehen, dass auch wir heute in gewisser Hinsicht dem Gesetz untergeordnet sind. Der alte Bund begegnet uns heute in einer anderen Gestalt. Der alte Bund besteht heute in den heutigen sozialpolitischen Formen der Welt. Es kann sein, dass die heutigen Gesetze moderner und auch gerechter als die Gesetze der alttestamentlichen Welt sind. Das bedeutet, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir nun vor dem neuen Bund stehen. Der neue Bund ist uns gegeben, wir sollen uns aber dafür öffnen und daran teilnehmen.

 

Auch wir heute können uns den neuen Bund nicht durch Gesetze verdienen. Der neue Bund ist das Geschenk Gottes. Genauso wie die Vergebung Gottes; „denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken,“ schrieb Jeremia. Wir verdienen es nicht, wir bekommen es nur als Geschenk. Wir können weder den Glauben noch die Vergebung durch die Erfüllung des Gesetzes erlangen. Das ist die Bedeutung des neuen Lebens, das uns immer wieder völlig umsonst, gratis, gegeben ist. Wir wissen das in unserem Herzen. Wir wissen, dass wir immer wieder ganz vom Anfang anfangen können, egal wie schwer unsere Lebenssituation für uns gewesen ist. In diesem Sinne ist die Annahme des neuen Bundes eine persönliche Entscheidung, die wir immer wieder treffen können.

 

Dass Gott uns gnädig ist, ist das Geschenk Gottes. Und wenn wir einander gnädig sind, ist das ebenfalls das Geschenk Gottes. Durch den neuen Bund nimmt Gott uns zu sich, vergibt uns unsere Schuld und hilft uns, dass wir uns um andere Menschen kümmern und ihnen vergeben. Das ist die Grundlage des neuen Bundes; nämlich die Vergebung. Und als Petrus zu Jesus kam und fragte: „Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist's genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. (Matt.18,21-22)

 

Wenn wir einander vergeben und gnädig zueinander sein können, sollen wir es wissen, dass es dieselbe Gnade Gottes ist, die uns gnädig macht. So hat die spanische Mystikerin Theresa von Avila gebetet:

 

„Befähige mich, Gott, Gutes an unerwarteten Orten zu sehen, und Fähigkeiten in Menschen, bei denen man es am wenigsten erwartet, und verleih mir, Herr, die Gnade dies zu sagen. Amen.“