Der Geist, der in der Leere weht

Der Geist, der in der Leere weht

 Pfingstsonntag

(Römer 8,26-30)

 

 Ebenso kommt aber auch der Geist unseren Schwachheiten zu Hilfe. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich‘s gebührt; aber der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern. Der aber die Herzen erforscht, weiß, was das Trachten des Geistes ist; denn er tritt so für die Heiligen ein, wie es Gott entspricht.

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind. Denn die er zuvor ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, die er aber berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht.

 

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„Ebenso kommt aber auch der Geist unseren Schwachheiten zu Hilfe.“ Dies ist eine sehr wichtige Aussage. Der Geist hilft uns in unserer Schwachheit und in der Zeit der Erschwernisse. Aber wie? Wie kann der Geist uns helfen? Was sollen wir tun, damit wir dem Geist erlauben, uns zu helfen? Wie könnten wir uns dem Geist überhaupt nähern?

 

Im Johannesevangelium verspricht Jesus seinen Jüngern vor seinem Abschied, dass er ihnen den Heiligen Geist senden wird, damit sie nach seinem Tod nicht verwaist zurückbleiben. Dort sagt Jesus: „Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand [Tröster] geben, dass er bei euch bleibt in Ewigkeit“. Jesus wird zum Vater gehen, er wird sterben. Die Anwesenheit Jesu bei den Jüngern war für eine begrenzte Zeit. Er konnte bei ihnen sein. Mit ihnen über Gott sprechen, ihnen vieles erklären. Aber dann musste er sterben. Und dennoch werden sie nicht alleingelassen; ein Tröster wird immer bei ihnen sein; ein Tröster, der sie lehren kann, wie sie beten sollen.

 

Im Neuen Testament wird das Wort „Geist“ verwendet, um entweder den Heiligen Geist, d. h. den Geist Gottes, zu bezeichnen, wodurch wir Gott als Geist beschreiben. Oder das Wort „Geist“ wird auf den menschlichen Geist bezogen, der den menschlichen Körper belebt und die Quelle aller Kraft, aller menschlichen Zuneigung und Gefühle ist. Im ersten Buch Mose lesen wir, dass es der Atem Gottes ist, den Gott den Menschen bei der Schöpfung eingehaucht hat und der den menschlichen Geist ermöglicht. Er ist ein lebensspendender Geist, der im tieferen Sinne des Wortes, das ist was unserem Leben einen Sinn gewährt und es aus den Absurditäten des Alltags heraushebt. In beiden Verwendungen des Wortes, ob als Gottes Geist oder als menschlicher Geist, ist der Geist von aller Materie befreit. In diesem Sinne ist der Geist nicht etwas Konkretes. Deshalb nennen wir ihn Geist. Der Geist ist nicht ein Ding, wie ein Buch, eine Kerze, oder einen Baum. Er ist nichts, was wir sehen und anfassen können. Und in diesem Sinne ist er nichts Vergängliches. Jesus verlässt die Jünger, er muss gehen, aber er sendet den Tröster, den Heiligen Geist, der für immer bei den Jüngern bleiben wird.

 

Wenn ich heute, liebe Gemeinde, auch möchte, dass der Heilige Geist meiner Schwachheiten zur Hilfe kommt, sollte ich mich dafür bereit machen, indem ich in meinem Inneren für ihn Raum schaffe. Denn dort wohnt der Geist. Die Hilfe, die der Heilige Geist uns gewähren kann, ist seine befreiende Kraft, sodass ich durch den Geist von Bindungen und Abhängigkeiten an die Dinge der Welt befreit werde. Ähnlich wie der verlorene Sohn, der erst zu seinem Vater zurückkehren wollte, als er nichts mehr hatte, wovon er leben konnte. Vorher hatte er Geld, seinen Anteil am Erbe des Vaters. Und als er alles verlor, wurde ein Raum für den Geist geschaffen. Der Stolz des Sohnes und alle seine egozentrischen Wünsche und Träume wurden zerstört. Erst dann konnte er und wollte er zu seinem Vater zurückkehren. Vielleicht können wir uns heute fragen: Was hindert mich daran, zu Gott zu kommen, mich dem Geist zu nähern? Wovon kann mich der Geist Gottes heute befreien?

 

Denn der Geist Gottes ist ein befreiender Geist. Wann immer also wir uns für den Geist öffnen, geschieht das Wunder: Menschliches und Göttliches vereinen sich im Geist und werden eins. Der Geist ist also das Band zwischen uns und Gott. Wir beten im Geiste, wir singen im Geiste, wir sind eins im Geiste, und sind somit eins durch den Geist in Gott und mit Gott.

 

Dies würde bedeuten, dass ich die Leere in mir brauche, damit der Geist in mir wohnen und sich in mir entfalten kann. Diese einfache Beschreibung des Geistes, dass er kein Ding ist, ist dann durchaus hilfreich. Der Geist ist wie der Wind, wir können ihn nicht sehen, wir können ihn nicht fassen und er ist frei. Er kann in der inneren Leere des Menschen wahrgenommen werden, wo kein Ding dominiert, denn er weht in der Leere in uns. In diesem Sinne verstehen wir die Worte Jesu, der einmal sagte: „Ihr könnt nicht Gott und dem Geld dienen“. Liebe Gemeinde, die meisten Konflikte der Vergangenheit, die meisten Streitigkeiten zwischen Familienmitgliedern, Nachbarn, kirchlichen Gemeinschaften und sogar zwischen Nationen und Religionen lassen sich auf dieses eine Element des Hochmuts und der Überheblichkeit zurückführen - nämlich auf das Element, nicht bereit zu sein, Leere in sich zuzulassen, der Leere Raum zu geben. In diesem Sinne verstehen wir die Worte des Paulus, als er Jesus als denjenigen beschrieb, der sich selbst entäußerte und sich selbst erniedrigte bis zum Tod. Und deshalb war er ein freier Mensch. Nichts konnte ihn erschrecken, nicht die dunklen Mächte dieser Welt, nicht einmal der Tod selbst.

 

Das ist die Kraft des Geistes: Es ist eine Kraft, die den Tod überwindet, so dass der Mensch den Tod nicht fürchte. Es ist eine Kraft, die alle Schwierigkeiten überwindet, nicht auf magische Weise. Ganz und gar nicht. Wenn wir also sagen, dass im Leben der Gläubigen „alle Dinge zum Besten dienen“, wie Paulus schreibt (V.28), bedeutet das nicht, dass sie im Leben nicht auf Trübsal und Leid stoßen werden. Die Bedrängnisse werden nicht auf magische Art und Weise verschwinden. Aber wenn wir dem Geist Gottes vertrauen, gibt er uns die Kraft, diese nicht zu fürchten; eine Kraft, die uns inmitten eines stürmischen Lebens Frieden erleben lässt, so dass nur der Geist, der Geist der Liebe und des Friedens, in uns herrschen kann.

 

Warum sagen wir aber, dass der Geist, der Geist der Liebe ist?

 

Etwas sehr Tiefes und Wesentliches verbindet den Geist und die Liebe miteinander. Vielleicht sagen wir deshalb, dass Gott Liebe ist. Beide, Geist und Liebe, sind selbstlos, materielos, unvergänglich, beide gehören zum Himmelreich, das kein Ende hat. Ähnlich wie der Geist, der jedem Menschen bei der Schöpfung mitgegeben wird, ist jedem Menschen die Möglichkeit gegeben, zu lieben. Und so schreibt Paulus in Römer 5,5: „denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.“

 

Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der nicht lieben und geliebt werden möchte. Aber manchmal sind die Liebeserfahrungen im Leben nicht ungehindert und sie bleiben meist bruchstückhaft. Manchmal haben Menschen keine Chance, andere zu lieben, weil sie nicht von anderen geliebt wurden, also keine Chance hatten, Liebe zu lernen. Manchmal scheitern wir selbst an der Liebe, weil wir nicht bereit sind, den Preis für die Liebe zu zahlen. Jede Liebe ist eine aufwändige Erfahrung, weil man alles für den geliebten Menschen geben möchte. Und daran scheitern wir meistens. Den Heiligen Geist zu empfangen ist wie eine Erfahrung der Liebe. Um ihn zu empfangen, sollte man lernen, wie man Dinge aufgibt. Denn es ist nicht möglich, den Geist zu empfangen und gleichzeitig unsere Selbstliebe intakt zu halten. In diesem Sinne ist der Heilige Geist nicht nur das Band zwischen Gott und mir, aber auch zwischen anderen Menschen und mir, denn der Geist ist allen gegeben worden, genauso wie die Liebe.

 

Wenn wir also heute wollen, dass der Geist unseren Schwachheiten zu Hilfe kommt, müssen wir uns für den Geist öffnen, aber auch für andere Menschen. Wir müssen mit anderen teilen, nicht nur die Dinge, die wir haben und besitzen, sondern auch unser Leben, sodass wir auch am Leben und an den Schmerzen der anderen teilhaben können. Indem wir unser Leben mit anderen teilen, wird die Leere in uns geschaffen, ein Raum für andere, für den Geist. Und erst dann kommt der Heilige Geist und schenkt uns die Fülle des Lebens. Heute, liebe Schwestern und Brüder, sind wir auf dem richtigen Weg, denn wir teilen unsere Gebete und unseren Gesang miteinander, damit Gott zu uns kommt und uns den Geist schenkt. An diesem Sonntag, der zwischen der Himmelfahrt Christi und Pfingsten liegt, lasst uns beten: Komm Heiliger Geist und fülle die Leere in uns. Schenke uns Licht und Leben. Heile du die Wunden der Vergangenheit, gewähre uns deinen Frieden und mach uns eins in dir. Amen.