Die Taufe als Mission

 

Die Taufe als Mission

(Römer 6,3-8)

 

 

Oder wisst ihr nicht, dass wir alle, die wir in Christus Jesus hinein getauft sind, in seinen Tod getauft sind? Wir sind also mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, gleichwie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt worden ist, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm einsgemacht und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein; wir wissen ja dieses, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde außer Wirksamkeit gesetzt sei, sodass wir der Sünde nicht mehr dienen; denn wer gestorben ist, der ist von der Sünde freigesprochen. Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.

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Liebe Gemeinde, es wird allgemein so wahrgenommen, dass die Taufe uns zu Gliedern der Kirche macht, d.h. zu Gliedern des Leibes Christi. Und das ist richtig, denn in der Taufe liegt eine Art verborgenes Bekenntnis; ein Bekenntnis, dass der Getaufte, oder seine Eltern, an Gott und an Gottes Sohn glauben und in seinem Namen getauft werden wollen. Das gilt, auch wenn manchmal die Gefahr besteht, dass man sich der Verantwortung, die hinter diesem Bekenntnis steht, nicht ganz bewusst ist, besonders bei der Kindertaufe, wenn Eltern diese Verantwortung für ihre Kinder übernehmen. Diese Verantwortung kommt vor allem durch die Frage zum Ausdruck, die der Pfarrer/die Pfarrerin an die Eltern und die Paten vor der Gemeinde stellt, ob sie bereit sind, dazu beizutragen, dass das Kind als Mitglied der Gemeinde Jesu Christi erzogen wird. In diesem Moment werden sie deutlich mit dieser Verantwortung konfrontiert.

 

Andererseits wird für uns als Kirchengemeinde die Taufe üblicherweise als Zeichen des Heils verstanden. In diesem Sinne wollten die Menschen seit den Anfängen des Christentums ihre Kinder schon sehr früh taufen lassen, vor allem bei Krankheitsfällen, um sicherzugehen, dass ihre Kinder nach dem Tod erlöst werden. Heute möchte ich jedoch eine Dimension der Taufe beleuchten, die keineswegs neu ist, die aber oft im Hintergrund verborgen bleibt, vielleicht weil sie viel anspruchsvoller ist.

 

Das Verständnis der Taufe, auf das ich heute eingehen möchte, ist die Taufe als Mission. Wie kann aber eine Taufe als Mission wahrgenommen werden; eine Mission, die jeder Getaufte in seinem Herzen trägt? Mit Mission ist hier gemeint, die Taufe mit ganzem Bewusstsein zu erleben. Oft sind wir dieser Mission insofern bewusst, als wir uns über die Bedeutung unserer Taufe bewusst sind. Und wir wissen es in unserem Herzen, dass eine solche Mission oder ein solches Verantwortungsgefühl uns fast immer begleitet, in fast allen unseren Beziehungen zur Familie und Freunden; eine Art Verantwortung, ein gläubiger Mensch in dieser Welt zu sein; jemand, dessen Prinzipien und Überzeugungen von der Welt meist als unnötig angesehen werden. Genau diese Verantwortung möchte ich heute Mission nennen.

 

Warum aber dieses Wort „Mission“?

 

Am vergangenen Mittwochabend haben wir während der Bibelstunde auch über Mission gesprochen. Wir haben den Text aus dem Lukasevangelium (10, 1-12) gelesen, in dem Jesus 70 Menschen in alle Städte und Orte schickt, in die er später selbst kommen wollte. Vielleicht tat er das als Vorbereitung auf seinen Tod, da er wusste, dass er nicht überall hingehen kann, und gab deshalb seine Mission an andere weiter. Dort sagte Jesus zu ihnen: „Geht euren Weg; siehe, ich sende euch aus wie Lämmer inmitten von Wölfen. Tragt keinen Geldbeutel, keine Tasche, keine Sandalen und grüßt niemanden auf der Straße.“

 

Diese Worte, liebe Gemeinde, sind wichtig, um zu verstehen, was Mission bedeutet. Und die Weise, wie hier Mission beschrieben wird, lässt sich auch auf die Taufe anwenden. Wenn Menschen früher getauft wurden, wurden sie ganz in Wasser getaucht, und niemand kann in einer solchen Situation einen Geldbeutel, eine Tasche oder Sandalen anbehalten. Man kann auch niemanden grüßen. Die Taufe ist ein Moment, den man ganz allein durchleben muss, ähnlich wie die eigene Geburt und den eigenen Tod. Und in diesem Sinne ist die Taufe wahrhaftig der Tod des alten Menschen und die Geburt eines neuen in uns. Mit diesem Gedanken über die Taufe im Hintergrund ist es sinnvoll nun über die Mission nachzudenken. Um die Mission Christi zu tragen, brauchen wir keine Tasche, keinen Geldbeutel, wir brauchen nicht einmal Sandalen und sollen auch darauf verzichten können, jemanden zu grüßen, sodass wir uns aller Unterstützung und Hilfe von außen enthalten können, sogar auf die einfache Unterstützung, die man durch eine Begrüßung eines anderen erhalten könnte.

 

Und nun können wir die Worte Jesu verstehen: „ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe.“ Ein Lamm stand im Alten Testament immer für ein Opfer; ein Opferlamm. Und ein Lamm, oder ein Schaf, war im Altertum das häufigste Tier für religiöse Opfer. Die Juden opfern bis heute ein Lamm als Symbol der Befreiung. Im Neuen Testament wird Jesus als Gottesknecht beschrieben, der wie ein Lamm sein Leiden mit Geduld trägt. Im Text der Apostelgeschichte, den wir in der Schriftlesung gehört haben, erzählt der Apostel Philippus dem Kämmerer aus Äthiopien, den er taufen wird, über Jesus Christus, als er die folgenden Worte aus dem Jesaja Buch zu erklären hatte: „Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, so tut er seinen Mund nicht auf.“

 

Und doch schickt Jesus seine Nachfolger auch als Lämmer unter die Wölfe. Ein Lamm unter Wölfen! Das ist der Kern der christlichen Mission. Christliche Mission findet statt, wenn wir nichts haben, worauf wir vertrauen können, außer Gott; keine Schuhe, keine Waffen, kein Geld, auch keine menschliche Unterstützung. Das ist ein anderes Bild als das, was die Menschen bisher oft unter Mission verstanden und praktiziert haben, nämlich, dass man mit vollkommenerem Wissen, mit überlegener Macht kommt und etwas zu geben, etwas zu lehren hat. Natürlich hat jeder Christ, der die Mission Christi im Herzen trägt, etwas zu geben und zu lehren, aber der Unterschied sollte klar sein. Wir lehren nicht, weil wir die Autorität und die Macht haben dies zu tun. Wir lehren, weil wir das sind, was wir sind. Ein Lamm kann nicht etwas anderes sein, und ein Wolf sollte lernen, wie er mit Lämmern leben kann, und dann wird die Mission ihr Ziel erreichen.

 

Dies ist das Ziel jeder christlichen Mission: Dass Lämmer und Wölfe friedlich zusammenleben. Mission hat kein anderes Ziel, als alle Menschen zusammenzubringen, damit alle auf vielfältige Art und Weise Teil des Leibes Christi werden. Das könnte im Alltag zum Beispiel bedeuten, dass wir unsere Überheblichkeit aufgeben sollten, dass wir vergeben und die Vergangenheit hinter uns lassen sollten, dass wir auf die zugehen, mit denen wir zerstritten sind. Es könnte auch bedeuten, dass wir die Fremden unter uns willkommen heißen können. Das ist auch das Ziel und der Auftrag hinter jeder Taufe. Als getaufter Mensch zu leben bedeutet, als Lamm unter Wölfen zu leben und die Einheit aller anzustreben in der Gemeinschaft der Getauften im Namen Christi.

 

Liebe Gemeinde, was ich heute sagen möchte, ist, dass wir oft von der Taufe als Zeichen für die Erlösung nachdenken, aber selten darüber in den Tod Jesu Christi getauft zu sein. Das ist genau dasselbe wie zu sagen, dass wir wie Lämmer unter die Wölfe leben sollen.

 

Und so heißt der Predigttext: „Wir sind also mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, gleichwie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt worden ist, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.“

 

Als Lämmer unter Wölfen zu leben ist, liebe Gemeinde, nicht anders als in den Tod Jesu Christi getauft und mit ihm begraben zu werden, sodass wir mit ihm im neuen Leben wandeln können. Es wäre ungenügend, zu sagen: „Wir sind erlöst“ und die Mission, in den Tod Jesu Christi eingetaucht zu sein, außer Acht zu lassen. Und so heißt der nächste Vers: „Denn wenn wir mit ihm einsgemacht und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.“

 

In diesem Sinne hat die Taufe keine magische Kraft, sondern sie sollte jeden Tag im Bewusstsein und in der Verantwortung gelebt werden, die Mission Christi im Herzen zu tragen, die Mission des Todes und der Auferstehung, die Mission der Versöhnung und des Friedens mit allen Menschen.

 

Eins haben wir am vergangenen Mittwoch übersehen. Wir haben die Zahl 70 richtig gedeutet als Symbol für die ganze Welt. Aber wir haben den Text so verstanden, dass die Botschaft der Mission Christi für die ganze Welt ist. Im Text schickt Jesus tatsächlich die 70 Menschen an verschiedene Orte, was bedeutet, dass er die ganze Welt schickt, und nicht nur einige wenige Menschen in die ganze Welt. Daher sagen wir heute, dass die Mission Christi für die ganze Welt bestimmt ist, sodass wir, Sie und ich seine Mission im Herzen tragen.

 

„Geht euren Weg; siehe, ich sende euch aus wie Lämmer inmitten von Wölfen. Tragt keinen Geldbeutel, keine Tasche, keine Sandalen und grüßt niemanden auf der Straße.“

 

 

 

Avakian

 

24.07.2022