Ich bin nahe, vor der Türe

Zum Totensonntag

 

Ich bin nahe, vor der Türe

(Markus 13,28-37)

 

 

 

Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon saftig wird und Blätter treibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. So auch ihr, wenn ihr seht, dass dies geschieht, so erkennt, dass er nahe vor der Türe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.

Um jenen Tag aber und die Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater. Habt acht, wacht und betet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Es ist wie bei einem Menschen, der außer Landes reiste, sein Haus verließ und seinen Knechten Vollmacht gab und jedem sein Werk, und dem Türhüter befahl, dass er wachen solle. So wacht nun! Denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, am Abend oder zur Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen; damit er nicht, wenn er unversehens kommt, euch schlafend findet. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wacht!

 

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Im heutigen Predigttext werden zwei Gleichnisse vorgelegt, die etwas über die letzten Dinge, oder das Ende von allem, erzählen. Diese Worte waren die letzten Worte Jesu an seine Jünger, bevor die Passionsgeschichte im Markusevangelium, Kapitel 14, beginnt. Wahrscheinlich sind dann diese seine Abschiedsworte, vielleicht auch sein Testament an seine Jünger.

 

Aber warum die letzten Dinge? Warum über das Ende reden, oder über den Tod sprechen, auch heute im Gottesdienst, sogar hier auf dem Friedhof? In der Schriftlesung haben wir die Offenbarung über Gott gehört, durch die Worte des Apostels: „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.“ Und heute möchten wir über das Ende sprechen. Weil wir bereits leben, ist der Anfang von allem vielleicht keine große Frage für uns ist. Aber mit dem Ende werden wir alle irgendwann konfrontiert werden. Deshalb wollen wir uns heute diese Gleichnisse ansehen, vielleicht haben sie ein Wort für uns, das wir heute mitnehmen können; ein Wort, das uns Hoffnung und Licht in unserem Leben schenkt, auch wenn wir an die Menschen denken, die wir verloren haben und an das Ende von allem.

 

In seinen Worten beantwortet Jesus die Frage: Wann wird das Ende kommen? Und er gibt eine sehr einfache Antwort: Niemand weiß, wann das Ende kommen wird, außer dem Vater. Aber es gibt Zeichen dafür, dass Gott, der der Anfang und das Ende ist, dass dieser Gott immer und zu allen Zeiten des Jahres bei uns ist. Wenn wir im Herbst die Blätter des Baumes fallen sehen, wissen wir, dass der Sommer wiederkommen wird und die Blätter wieder grün werden. Kriege und die Mühsale des Lebens sind keine Zeichen des Endes, sondern des Anfangs, wie wir in V. 8 lesen. Die Schmerzen und Mühen des Lebens sind wie Geburtswehen, die neues Leben hervorbringen. Jedes Ende birgt das Potenzial für einen neuen Anfang in sich.

 

„So auch ihr, wenn ihr seht, dass dies geschieht, so erkennt, dass er nahe vor der Türe ist.“ Können wir, liebe Gemeinde, an einem solchen Novembertag etwas vom Leben des Sommers spüren? Können wir vertrauen, dass Gott nahe ist, vor der Türe unseres Herzens?

 

Neues Leben kann nur durch Schmerz und Mühsal geboren werden. Die alte Welt muss zu Ende gehen, damit die neue Ordnung, die neue Welt, anbrechen und entstehen kann. Das neue Leben ist ein Geschenk für alle und nicht nur für wenige. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die falschen Propheten zur Zeit der Entstehung des Evangeliums behaupteten.

 

Alles wird vergehen, das ist die Eigenschaft, der Charakter des Lebens. Manchmal denke ich, ist es notwendig, dass wir an diese Wahrheit erinnert werden, auch wenn es uns schwerfällt. Und aus diesem Grund hat das Ende des Lebens, hat der Tod einen Platz im Kirchenkalender, nämlich heute am Ende des Kirchenjahres. Das ist wichtig, weil wir im Leben oft unser Vertrauen auf Dinge und Menschen legen, und dabei außer Acht lassen, dass alles, was wir haben, auch unsere geliebten Menschen und unser eigenes Leben, vergänglich ist. Einige unserer Lieben sind schon vor uns gegangen. Auch wir werden eines Tages gehen und alles hinter uns lassen müssen.

 

Wem wollen wir vertrauen? Der Predigttext sagt uns heute: Gott ist uns näher, als wir es uns vorstellen können. Gott ist nahe, Gott steht vor der Türe.

 

In diesem Sinne, liebe Gemeinde, dürfen und können wir immer wieder einen neuen Anfang wagen, wissend, dass Gott selbst der Anfang und das Ende ist. Und in diesem Sinne sind wir Gottes Mitarbeiter. Wir können etwas Neues beginnen und wir können von Altem Abschied nehmen. Aber was ist der Anfang, den wir initiieren und zu unserer Geschichte machen wollen? Das ist eine Frage, die wir uns immer wieder stellen können, solange wir leben und auf das Versprechen Gottes vertrauen können: "Ich bin nahe, vor der Türe deines Herzens". In jedem Augenblick kann ich mich entscheiden, etwas Neues zu beginnen, etwas Gutes in Gang zu setzen.

 

Das zweite Gleichnis im Predigttext erzählt von einem Mann, der auf eine Reise geht. Er verlässt sein Haus und übergibt die Verantwortung an seine Diener. Ist Gott wie dieser Mann, der sein Haus der Verantwortung seiner Diener überlässt? Ist dann auch unser Leben uns als Verantwortung geschenkt, damit jeder von uns sein eigenes Tun verrichten kann, während wir auf die neue Welt und den neuen Himmel warten? Gott ist, liebe Gemeinde, nicht in seine Kirche eingesperrt, sondern er ist unterwegs, wie dieser Hausherr, und wir, seine Kirche, sorgen für sein Haus. Wir haben dafür die Vollmacht. Was tun wir damit in diesem Welthaus?

 

Ich sollte dann leben und mein Bestes tun, für mich und für meine Mitmenschen. Das ist dann nicht nur ein Geschenk, das wir für uns behalten sollten, sondern auch eine Verantwortung. Wen kann ich heute trösten? Wen kann ich begleiten und unterstützen, ganz behutsam?

 

Meistens müssen wir nach dem Tod eines geliebten Menschen unsere Rolle im Leben neu definieren. Vielleicht hatte ich in der Vergangenheit eine Art von Verantwortung, aber heute muss ich meine Rolle und meine Verantwortung im Leben neu denken und neu gestalten. Ich muss mich ernsthaft fragen: Was kann ich Gutes in meinem Leben tun? Jetzt ist die Zeit! Jetzt habe ich noch die Chance dafür! Und ich weiß, das ist die beste Vorbereitung für das Ende, auch für das Ende meines Lebens.

 

Das Wort, das wir, liebe Gemeinde, an diesem Sonntag, mitnehmen möchten ist das Versprechen Gottes: Sei getrost, ich bin bei dir, ich bin nahe, bei der Türe deines Herzens. Diese sind Worte, die nicht vergehen. Und wenn wir, liebe Gemeinde, unser Herz für Gott und für Jesus öffnen, kommt Gott in unser Leben, und verwandelt es in ein neues Leben. Eine neue Erde und ein neuer Himmel werden in mir geboren. Ich werde nicht mehr der alte Mensch sein müssen, der sich mit den Sorgen der Vergangenheit herumplagt. Er wird in mir alles neu machen und mir von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst geben. Und er wird mein Gott sein, und ich Gottes Kind.

 

Das Wort sagt uns heute aber auch: Sei wachsam! Du bist mit deinem Leben betraut, aber auch mit dem Leben derer, die dich umgeben. In dieser Verantwortung, die dir anvertraut ist, werden meine Worte für dich eine Hilfe sein. Meine Worte werden dich auf den richtigen Weg führen. Denn während alles vergeht, werden meine Worte bleiben.

 

Das Wort Gottes erreicht unser Herz im Leben und im Tod, wenn wir es wollen, wenn wir die Kraft dazu haben, wenn wir uns öffnen. Das Wort Gottes ruft uns ins Leben, es ruft uns in die Liebe. Gott kommt zu uns durch das Wort und Gott ist schon da, auch wenn er geht. Denn er ist der Anfang und das Ende

 

„Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein“. Amen.