Das Fundament des Lebens
(Jesaja 42,1-4. 6-7)
(Gottesdienst zur Erinnerung an Konfirmation
mit Einführung eines KGRs)
Siehe, das ist mein Knecht, den ich erhalte, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt; …Er wird nicht schreien und kein Aufhebens machen, noch seine Stimme auf der Gasse hören lassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen; wahrheitsgetreu wird er das Recht hervorbringen. Er wird nicht ermatten und nicht zusammenbrechen, bis er auf Erden das Recht gegründet hat, und die Inseln werden auf seine Lehre warten. Ich, der HERR, habe dich berufen in Gerechtigkeit und ergreife dich bei deiner Hand; und ich will dich behüten und dich zum Bund für das Volk setzen, zum Licht für die Heiden; dass du die Augen der Blinden öffnest, die Gebundenen aus dem Gefängnis führst und aus dem Kerker die, welche in der Finsternis sitzen.
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Im heutigen Predigttext lesen wir von einem Knecht oder Diener Gottes, den Gott erhalten wird und den Gott erwählt hat, damit er den Menschen Gerechtigkeit bringt. Von wem redet der Prophet Jesaja diese Worte? Der Text wurde im 6.Jahrhundert vor Christus verfasst. Zu dieser Zeit befand sich das jüdische Volk im babylonischen Exil und hatte alle Hoffnung auf eine Rückkehr in sein eigenes Land aufgegeben. Die Menschen, die in einem fremden Land im Exil lebten, hatten ihre Hoffnung, ihr Licht und ihren Glanz fast verloren. Sie waren wie ein geknicktes Rohr oder ein glimmender Docht. Der glimmende Docht ist das Gegenteil einer brennenden Kerze. Ein glimmender Docht kann kein Licht und keine Wärme verbreiten. Der Prophet wurde selbst mit der Oberschicht des Volkes in die babylonische Gefangenschaft verschleppt. War der Prophet selbst der Knecht Gottes, der Diener Gottes, von Gott auserwählt und mit Gottes Geist begabt, der die seiner Zeit Menschen tröstet und sie aufrichtet? War er derjenige der den Menschen Gerechtigkeit bringen und sie aus der Dunkelheit der Verbannung ans Licht führen sollte? Angesichts des historischen Hintergrunds scheint dies gut möglich zu sein.
Etwa sechshundert Jahre später, als Jesus seine Mission begonnen hatte, glaubten viele, dass Jesus der Knecht Gottes ist, den Jesaja als Diener, der seinem Volk Gerechtigkeit bringen soll, beschreibt. Und die Worte entsprechen natürlich auch Jesus, der von sich selbst sagte: Ich bin da Licht der Welt und der die Mission seines Lebens darin sah, die Augen der Blinden zu öffnen und die Gefangenen aus dem Kerker herauszuführen, die in der Finsternis sitzen.
Wir wollen heute einen Schritt weiter gehen. Im Vers 4 unseres Predigttextes heißt es: „die Inseln werden auf seine Lehre warten.“ Da kommt noch etwas auf uns zu. Der Auftrag des Gottesknechtes in der Zeit des jüdischen Exils und der Auftrag Jesu und seine Mission sind nicht beendet. Diese Worte des Propheten Jesaja sprechen jeden Menschen an, auch heute; jeden, der sein Herz für Gott und für andere Menschen öffnet. Diese Worte sprechen uns alle an, liebe Gemeinde, die wir durch unsere Taufe Anteil an der Sendung Jesu haben. In diesem Gottesdienst sind die Mitglieder unseres Kirchengemeinderats anwesend; Menschen, die ehrenamtlich Gott und der Kirche dienen. Heute sind auch einige Jugendliche aus unserer Gemeinde hier, die in den letzten Jahren konfirmiert wurden. Deshalb möchte ich heute die Worte des Propheten Jesajas als eine Einladung an uns alle verstehen, Gott als Fundament unseres Lebens zu wählen. Damit wir unsererseits Licht in das Leben der anderen bringen können. Das war auch die Botschaft des Liedtextes aus Psalm 1, den wir gerade vor der Predigt gesungen haben:
Wenn ein Mensch auf Gott sein Leben baut,
wenn er Tag und Nacht auf ihn vertraut,
hat er Zukunft, Hoffnung, Lebenskraft,
weiß bei Gott sich ganz geborgen.
Er ist wie ein Baum, der am frischen Wasser steht
und dessen weitgespanntes Blätterdach
niemals mehr vergeht:
Er wird leben, blühen, Farben sprühen,
Früchte schenken ohne Zahl.
Irgendwie fasst dieses Lied alles zusammen, was es heute zu sagen gibt. Es ist nicht nur die Wahl Gottes, sondern auch wir, jeder von uns hat die Möglichkeit, Gott als Fundament für das Leben zu wählen. Gott hat uns alle gemacht und wählt uns alle aus, Gottes Kinder zu sein. Gott kann nicht den einen gegenüber dem anderen bevorzugen. Aber es ist unsere Wahl, unsere Entscheidung für Gott, die uns zu den Auserwählten macht. Und wenn wir Gott wählen, wenn ich Gott für mein Leben als Fundament wähle, dann werde ich auch mein Leben auf Gott und dem Wort Gottes aufbauen müssen.
Wissen Sie, was es bedeutet, Gott als Fundament für das Leben zu wählen? Es bedeutet, ganz tief in unserem Herzen nur Gott zu vertrauen. Es ist ein menschliches Ding, dass wir arbeiten und Geld verdienen wollen, vielleicht eine Menge Geld haben wollen, ein großes Haus, eine Familie... das ist alles gut. Aber wenn wir uns für Gott entscheiden, müssen wir all das auf eine Weise tun, die nicht im Widerspruch zu unserem Glauben und Vertrauen auf Gott steht. Aber wie? Es gibt ein gutes Beispiel in Psalm 1. Dort heißt es: Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen und nicht sitzt bei den Spöttern, sondern seine Lust hat an dem Wort Gottes. Das heißt, wenn ich in der Gesellschaft anderer bin und alle anderen spotten oder andere auslachen oder sogar über andere Menschen lästern, was natürlich andere verletzt, dann tue ich das nicht. Ich muss da nicht mitmachen, weil das gegen die Gerechtigkeit für alle Menschen ist.
Das scheint wieder ein bisschen schwierig zu sein. Warum sollte ich nicht das tun, was alle anderen tun? Warum soll ich mich anders verhalten, mir etwas anderes wünschen?
Vielleicht liegt die Antwort in V. 4 des Predigttextes: Der Vers besagt, dass derjenige, der sich für Gott entscheidet, nicht müde wird und nicht zusammenbrechen wird, bis er Gerechtigkeit auf Erden geschaffen hat. Was für eine starke Aussage mit starken Worten. Und Worte, liebe Gemeinde, haben insofern Macht, als wir diesen Worten glauben. Er wird nicht müde und wird nicht zusammenbrechen, bis er Gerechtigkeit auf Erden geschaffen hat. Etwas, das Gott uns gewährt, hat die Kraft der Ausdauer, der Beharrlichkeit und der Hoffnung. Nichts anderes im Leben kann uns solche Hoffnung und solche Kraft zum Aushalten geben. Alle anderen Mächte in der Welt können sich ändern, können verschwinden, können uns enttäuschen, auch die Mächte der Staaten, Regierungen und Könige. Selbst die Menschen, die uns am nächsten stehen, können uns irgendwann allein lassen. Nur Gott gibt uns jeden Tag neue Kraft und neue Hoffnung, um im Leben zu bestehen. Nicht nur, um zu bestehen, sondern auch, um das geknickte Rohr zu schützen, damit es nicht bricht, und den schwach glimmenden Docht, damit er nicht verlöscht.
Und im letzten Vers heißt es: „dass du die Augen der Blinden öffnest, die Gebundenen aus dem Gefängnis führst“. Und hier fragen wir uns: Wer sind wir, um die Augen der Blinden zu öffnen und die Gefangenen aus dem Gefängnis zu führen? Sind wir nicht selbst „gefangen“; „gefangen“ in den Meinungen anderer Menschen; „gefangen“ in unseren Verurteilungen? Sind wir nicht manchmal blind gegenüber uns selbst und anderen, wenn es darum geht, andere Meinungen, andere Werte, andere Religionen oder Kulturen zu akzeptieren? Und dann stellen wir fest, dass Gott selbst mit uns und für uns ringt, in der Gestalt eines jeden Dieners Gottes, um die gefährdete Menschenwürde zu bewahren. Gott kommt in unsere Welt, wird geboren wie ein Licht in der Dunkelheit. Wollen wir uns für dieses Licht öffnen? Wollen wir es als Fundament unseres Lebens annehmen?
In der Taufe und der Konfirmation hat Gott uns sein Versprechen gegeben, ein Versprechen, das wieder heute in den Worten des Propheten Jesaja zu hören ist: Ich habe dich berufen in Gerechtigkeit und ergreife dich bei deiner Hand; und ich will dich behüten und dich zum Bund für alle Menschen setzen, zum Licht für andere. Amen.