Worte des Herzens

Worte des Herzens

(Matthäus 13,3-8; 18-23)

 

Zur Konfirmation

 

 

 

Und er redete zu ihnen vieles in Gleichnissen und sprach: Siehe, der Sämann ging aus, um zu säen. Und als er säte, fiel etliches an den Weg, und die Vögel kamen und fraßen es auf.

Anderes aber fiel auf den felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte; und es ging sogleich auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, wurde es verbrannt, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Anderes aber fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen auf und erstickten es. Anderes aber fiel auf das gute Erdreich und brachte Frucht …

 

So hört nun ihr das Gleichnis vom Sämann:

 

Sooft jemand das Wort vom Reich hört und nicht versteht, kommt der Böse und raubt das, was in sein Herz gesät ist. Das ist der, bei dem es an den Weg gestreut war.

Auf den felsigen Boden gestreut aber ist es bei dem, der das Wort hört und sogleich mit Freuden aufnimmt; er hat aber keine Wurzel in sich, sondern ist wetterwendisch. Wenn nun Bedrängnis oder Verfolgung entsteht um des Wortes willen, so nimmt er sogleich Anstoß.

Unter die Dornen gesät aber ist es bei dem, der das Wort hört, aber die Sorge dieser Weltzeit und der Betrug des Reichtums ersticken das Wort, und es wird unfruchtbar.

Auf das gute Erdreich gesät aber ist es bei dem, der das Wort hört und versteht; der bringt dann auch Frucht …

 

________________________________

 

Heute habe ich etwas mitgebracht, liebe Gemeinde, das ich Ihnen zeigen möchte. Können Sie es sehen? Es ist ein Weizenkorn, ein ganz kleiner Samen. Oh, es ist nicht so einfach, dieses kleine Samenkorn aus der Ferne zu sehen. Aber dieser kleine Samen symbolisiert das Wort Gottes für uns. Ich werde ihn für eine Weile hier ruhen lassen.

 

Vielleicht kennen Sie dieses Gleichnis. Ein Sämann geht hinaus, um zu säen. Bei der Aussaat fallen einige Samen auf den Weg, nämlich auf steinigen Boden, und die Vögel fressen sie. Andere fallen auf wenig Erde und wieder andere unter die Dornen. Ein letzter Teil der Samen fällt auf gute Erde und wird Früchte tragen. In diesem Gleichnis symbolisieren die Samen (oder die Körner) die Worte Gottes, und Gott ist der Sämann, der seine Worte überall ausstreut, also eigentlich sehr großzügig. Das bedeutet, dass das Wort Gottes überall verbreitet wird, sodass wir davon ausgehen können, dass das Wort Gottes, das heute durch das Weizenkorn symbolisiert wird, allen Menschen, also auch jedem einzelnen von uns, gegeben ist.

Wenn die Weizenkörner, nämlich Gottes Wort, allen gegeben wird, wie reagieren dann die Menschen darauf?

 

Die Reaktion der Menschen auf das Wort Gottes, nämlich ob sie es annehmen oder ablehnen, wird im Gleichnis durch die Art des Bodens oder der Erde versinnbildlicht, auf den die Samen fallen. In gewisser Weise symbolisiert die Erde in dieser Geschichte also das Herz der verschiedenen Menschen. Wie wir im Predigttext gehört haben: „Sooft jemand das Wort … hört und nicht versteht, kommt der Böse und raubt das, was in sein Herz gesät ist.“ Das Wort Gottes wird also in das Herz jedes Menschen gegeben. Die Herzen einer ersten Gruppe von Menschen beschreibt der Text wie ein steiniger Weg, auf den einige Samen fallen. Diese Menschen werden das Wort nicht aufnehmen können, oder besser gesagt, sie werden das Wort nicht verstehen. Wichtig ist hier, liebe Gemeinde, dass das Nicht-Empfangen des Wortes als ein Nicht-Verstehen beschrieben wird. Wir können also sagen, dass es ein Versagen des Herzens ist, das Wort nicht zu verstehen.

 

Man könnte fragen: Was ist denn die Wirkung des Wortes Gottes? Was macht das Wort mit uns? Und ich kann antworten: das Wort Gottes hat die Eigenschaft, Grenzen zu überschreiten. Es hat eine befreiende Wirkung, es befreit uns aus unserer Verschlossenheit und ermöglicht Wachstum, so dass nicht nur das Wohl des eigenen Ichs, sondern auch das Wohl der Anderen und der gesamten Schöpfung Gottes das Ziel wird, auf das wir hinstreben und arbeiten. Dieser kleine Samen wird also wachsen und Früchte tragen. In diesem Sinne erweitert das Wort Gottes unseren Horizont und lässt uns sehen, was wir mit unserem bloßen Verstand nicht sehen können. Es holt uns aus unserem engen Kreis heraus, um das Ganze zu verstehen. Sie könnten auch fragen, liebe Gemeinde, was passiert, wenn wir das Wort Gottes nicht empfangen? Was passieren kann, ist, dass unsere Welt ohne das Wort Gottes so klein bleibt, wie dieses nicht gekeimte Samenkorn. Selbst wenn wir große Unternehmen leiten, viele Menschen oder sogar Länder führen, wird unsere innere Welt nicht wachsen können, weil unser Herz das Wort nicht empfängt und nicht versteht. Wann immer aber es uns gelingt, mit dem Herzen zu hören und zu verstehen, auch wenn wir das nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Wort Gottes tun, ist das Wort Gottes schon in uns gewachsen. Denn das Wort Gottes, liebe Gemeinde, ist jedes gute Wort. Das Wort Gottes ist jedes Wort, das anderen einen Wert gibt, jedes Wort, das Vergebung ermöglicht. Jedes Wort der Wahrheit und Gerechtigkeit ist ein Wort Gottes. Und wenn wir darüber nachdenken, liebe Gemeinde, stellen wir fest, dass es gar nicht so einfach ist, ein gutes Wort, ein Wort der selbstlosen Liebe oder ein Wort der Gerechtigkeit zu sprechen in einer Welt, die weitgehend von Ungerechtigkeit und Betrug beherrscht wird, auch wenn diese gut organisiert und geplant sind und von außen alles wunderbar aussieht.

 

Im Gegensatz dazu sprechen wir unsere Worte oft entweder aus Angst, aus Verpflichtung oder aus persönlichem Interesse. Denn ein gutes Wort zu sprechen, erfordert oft eine Art von Sterben, das wir üblicherweise vermeiden wollen, ähnlich wie das Weizenkorn, das erst sterben, in der Erde, in der Dunkelheit, vergraben werden muss, damit es Frucht bringt.

 

Und wenn wir nochmal fragen, warum versagt das Herz des Menschen oft darin, das Wort Gottes anzunehmen? Vielleicht lässt sich das Versäumnis des Herzens auf die Tatsache zurückführen, dass wir üblicherweise nur unserem Verstand folgen. Und das ist gut, dass wir unserem Verstand folgen, aber es ist nicht ausreichend. Manchmal sollen wir auf unser Herz hören, manchmal sollen wir unserem Herzen folgen. Der Verstand an sich kann zum Beispiel nicht lieben. Der Verstand kann nach dem suchen, was logisch ist, nach dem, was den Regeln entspricht, nach dem, was den Sitten und Traditionen entspricht. Und das ist alles okay. Aber der Verstand kann nicht verzeihen, kann nicht mitfühlend sein, kann den Schmerz des anderen nicht sehen. Der Verstand ignoriert diese einfach und deshalb kann sehr egoistisch sein. Und somit ist der Verstand unfähig, den weitergehenden Schritt zu gehen. Also die Funktion des Wortes Gottes ist das Verstehen des Herzens zu ermöglichen und dies ist nicht gegen den Verstand, sondern es ist einen weiteren Schritt, ein zusätzliches Plus zu ihm. Der Verstand bringt uns immer, liebe Gemeinde, auf halbe Wege und lässt uns dort stehen bleiben, sodass wir denken, dass wir getan haben, was zu tun war. Und wann auch immer wir es nicht schaffen, mit dem Herzen zu sehen und zu verstehen, glauben Sie mir, liebe Gemeinde, dann wird die Zeit kommen, in der wir es bereuen werden. Denn wir werden erkennen, dass wir die meiste Zeit nur halbe Wege im Leben gegangen sind, dass wir Worte ungesagt gelassen haben und Konflikte ungelöst. Menschen, die wir in unserem Leben hätten empfangen können und die Teil unseres Lebens sein könnten, werden nicht für uns da sein, und wir werden nicht für sie da sein können.

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, in den vergangenen Monaten habe ich mit euch Worte des Herzens gesprochen. Auch wenn wir gemeinsam Texte gelernt haben, ging es mir nicht darum, dass ihr in erster Linie die Texte auswendig lernt, obwohl das gut und auch notwendig ist. Vielmehr stand das Verstehen mit dem Herzen im Vordergrund und ihr konntet es die meiste Zeit schaffen, mit dem Herzen auch zu hören. Ich konnte euer Interesse sehen, eure Fragen und Antworten, und ich hoffe, dass ihr weiterhin mit dem Herzen sehen, hören und verstehen könnt, sodass das Wort Gottes in eurem Leben weiterhin Früchte bringt.

 

Wenn ihr und wir alle manchmal versagen, ist das okay, denn wie das Gleichnis sagt, werden einige der Samen von den Vögeln gefressen. Und wir wissen, dass wir in unserer Beziehung zu Gott in der Tat weit über die Symbolik dieses Gleichnisses hinaus gehen. Wir haben immer die Chance, unser Herz für das Wort zu öffnen und es zu empfangen. Gott ist und bleibt ein großzügiger Gott für uns und für alle Menschen.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde, wir sind heute aufgerufen, das Wort zu empfangen und den Keim des Wortes durch unser Leben zu verbreiten. In diesem Sinne möchte ich die heutige Predigt mit einem Vers aus dem 5.Mose (30,14) schließen: „das Wort ist sehr nahe bei dir, in deinem Mund und in deinem Herzen, sodass du es tun kannst.“ Amen.

 

 

 

Sylvie Avakian

 

27.04.2024