„Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist“
(Epheser 5,8-14)
Denn ihr wart einst Finsternis; jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts! Die Frucht des Geistes besteht nämlich in lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft also, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf; denn was heimlich von ihnen getan wird, ist schändlich auch nur zu sagen. Das alles aber wird offenbar, wenn es vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.
Darum heißt es: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!
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Der Epheserbrief ist ein kompakt theologischer Text eines Paulusschülers. Und der heutige Predigttext beginnt mit der Aussage, dass die Glaubenden sich nicht nur im Licht bewegen, sondern selbst Licht sind.
Wie können wir, liebe Gemeinde, Licht in der Welt sein?
Heute möchte ich drei Antworten auf diese Frage geben.
1. Beten, Prüfen und Aufdecken
Eine erste Lektüre des Predigttextes erinnert mich an die Schöpfungsgeschichte, in der Gottes schöpferischer Akt zunächst damit beginnt, dass Gott das Licht von der Finsternis trennt und erst dann die Schöpfung möglich wird. Im heutigen Predigttext findet sich auch ein solcher Aufruf, das gleiche zu tun. Gott hat das Licht von der Finsternis getrennt, um Himmel, Wasser, Land und Sonne zu erschaffen. Also ich lese V.13 vor: „Das alles aber wird offenbar, wenn es vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.“ Mit anderen Worten: Immer dann, wenn Dinge ans Licht gebracht werden, nämlich aufgedeckt werden, kommt die Wahrheit zum Vorschein, oder: wird die Wahrheit enthüllt.
Wie kommen wir aber zu diesem Aufdecken?
Zum Aufdecken, oder ans Licht bringen, gehört das Bemühen, die Wege, die wir gehen, zu prüfen, aber auch den Versuch zu unternehmen unseren Glauben zu verstehen. Ich möchte das an einem Beispiel aus unserem Predigttext erläutern. Ich lese V. 10 des heutigen Predigttextes vor „Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist“. Und ich frage mich: Was genau bedeutet das Wort „Herr“ in diesem Text, aber auch in der Bibel im Allgemeinen?
Das Wort „Herr“ kommt im griechischen Original als Kyrios vor, das sich im Neuen Testament auf Jesus als den Herrn bezieht. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments kommt das Wort „Kyrios / Herr“ (über 6.500-mal) in fast allen Büchern vor. (z.B. „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“, Ps.23; „Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Ps. 27). Der Name Jahwe ist am engsten mit dem Erlösungshandeln Gottes verbunden. In der Welt des Alten Testaments würde es heißen: Wenn ihr zu Jahwe betet, denkt daran, dass er derselbe Gott ist, der sich euch nähert, um euch aus der Tyrannei der Sünde zu retten, so wie er sein Volk aus der unterdrückenden Sklaverei in Ägypten gerettet hat. Der hebräische Name Gottes, Jhwh, wurde schließlich nur von Priestern im Jerusalemer Tempel laut ausgesprochen, da er als heiliger Name galt. Nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr. wurde der Name nicht mehr ausgesprochen und das Wort „Jahwe“ wurde durch das hebräische Wort für „Herr“ „Adonai“ [„Kyrie / Mein Herr“] ersetzt.
Yahweh von הָיָה hâyâh bedeutet sein, werden, zustande kommen, existieren, geschehen, leben und Yahweh könnte dann als „Quelle des Lebens“, „der von Ewigkeit Bestehende“, oder „der Spender der Existenz“ verstanden werden. Durch die Ersetzung des Wortes Jahwe mit Adonai [mein Herr] geht die tiefe Bedeutung des Wortes Jahwe verloren, das Gott als lebensspendenden, existenzgebenden Gott beschreibt. Das Wort „Jahweh“ ermöglicht es uns Gott also die schöpferische Kraft des Lebens zu verstehen, eine Kraft, die zu jedem Menschen durch die Schöpfung in einer geheimnisvollen Art und Weise verliehen ist. Dieses Wort hilft uns zu verstehen, dass Gott hinter allem steht und der Schöpfer eines jeden Lebens, eines jeden menschlichen Lebens ist.
Gott ist, liebe Gemeinde, mehr als „mein Herr“ und deshalb möchte ich vielleicht in jeder Predigt dieses Wort neu erklären, immer wieder neu prüfen, und die Bedeutung des Wortes aufdecken, damit wir erkennen, wie wesentlich Gott für unser Leben ist.
Dieses Beispiel sagt uns, dass wir Gott immer aufs Neue suchen müssen und immer versuchen, Gott besser zu verstehen, und Gott nicht aufgeben, weil wir die Sprache nicht mehr angemessen finden. Und so sagt und der Predigttext: „Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist“.
Aber wie kommen wir zu diesem „Prüfen“ oder „Aufdecken“ in unserem Leben? Liebe Gemeinde, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, wir kommen dazu durch das Gebet. Wenn wir beten, denken wir nach und reflektieren unseren Lebensweg, den Weg, den wir bisher gegangen sind, und den Weg, den wir von nun an gehen wollen. Und wir prüfen all dies durch das Licht, das uns gegeben ist. Und wir wissen, dass Gott zu suchen bedeutet, andere Wege im Leben zu gehen, als wir es ohne Gott tun würden.
2. Das Leid annehmen: Brot und Wein
Andere Wege zu gehen als die, die man ohne Gott gehen würde, bringt meistens Leid mit sich. Und Sie können natürlich fragen: Warum Leid? Ich würde sagen, weil ein solches Denken und Prüfen für die Welt nicht immer angenehm und akzeptabel ist. Um das Licht von der Dunkelheit zu trennen, um Dinge aufzudecken, müssen wir manchmal nein sagen, nein zur Finsternis. Und eins ist hier wichtig. Die Finsternis bezieht sich nicht auf die Menschen, sondern auf den Stand der Dinge und die Lebenssituationen, die das menschliche Leben umgeben. Im Predigttext heißt es „Werke der Finsternis“. Es ist also so, dass, wenn wir die Dinge prüfen und ans Licht bringen, dies ein würdiges Leben für jeden möglich macht.
Das Verborgene sichtbar zu machen, sodass die Wahrheit erkannt und verstanden wird, ist daher keine einfache Aufgabe. Wahrscheinlich gibt es Zeiten und Situationen, die wir alle lieber verschweigen würden. Manchmal verschweigen wir die Wahrheit, weil wir vielleicht Ängste und Sorgen haben. Weil wir dann noch zerbrechlicher werden, wenn wir unsere Schwächen, oder Schmerzen einfach offenlegen.
Gottes Kraft kommt zu uns aber auch durch Schwäche und Leid. Das Licht Gottes leuchtet durch das Kreuz. Und das Wunder Gottes ist, liebe Gemeinde, dass wann immer wir unsere Schwäche annehmen und sie ans Licht bringen, werden sie in diesem Moment zum Licht. Das ist die Botschaft des Evangeliums: Im Moment des Aufdeckens wird das, was aufgedeckt wird, zum Licht. Denn das Licht Christi wird die dunklen Ecken im Leben leuchten.
Und deshalb feiern wir das Abendmahl. Durch den gebrochenen Leib und das vergossene Blut Jesu Christi erhalten wir Vergebung, Kraft und neues Leben. Und so haben wir im Predigttext
gelesen: „wenn es vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht“.
3. Salz und Licht werden, Verantwortung tragen
In Gott vergeht die Dunkelheit. Gott nimmt unsere Fehler weg, und auf diese Weise ist er unser Schöpfer, der uns immer wieder neu macht. Indem er die Dunkelheit, die Sklaverei und die Fehler wegnimmt, schenkt Gott uns neues Leben, neues Licht, neue Hoffnung. Das ist die Bedeutung der Schöpfung Gottes, die jeden Tag eine neue Schöpfung ist, solange wir unser Herz für Gott öffnen und Gott und sein Licht hereinlassen.
Jeder und jedem von uns ist das Leben im Licht geschenkt. Wir tragen alle die Fähigkeit und das Potential für das Leuchten und Strahlen in uns. Lasst uns nicht das eigene Licht unter den Scheffel stellen, sondern als Kinder des Lichts leben.
Und das ist unsere Hoffnung, liebe Gemeinde: Am Ende wird alles ans Licht kommen, egal wie lange es im Verborgenen oder in der Dunkelheit gehalten wird. Und ich schließe die Predigt mit einem Vers aus Markusevangelium: „Denn nichts ist verborgen, das nicht offenbar gemacht wird, und nichts geschieht so heimlich, dass es nicht an den Tag kommt.“ (Markus 4,22) Amen.
Sylvie Avakian
21.07.2024