Den Weg des Friedens gehen
(Micha 4,1-5)
Doch es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des HERRN fest gegründet an der Spitze der Berge stehen und wird über alle Höhen erhaben sein, und Völker werden ihm zuströmen. Und viele Heidenvölker werden hingehen und sagen: »Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN, zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns über seine Wege belehre und wir auf seinen Pfaden wandeln!« Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des HERRN von Jerusalem.
Und er wird das Urteil sprechen zwischen großen Völkern und starke Nationen zurechtweisen, die weit weg wohnen, sodass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spieße zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere ein Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen; sondern jedermann wird unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen, und niemand wird ihn aufschrecken; denn der Mund des HERRN der Heerscharen hat es geredet! Denn alle Völker mögen wandeln, jedes im Namen seines Gottes; wir aber wollen wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich!
_______________________________________
Liebe Schwestern und Brüder, ich denke, es ist uns allen klar, dass der Weg, den wir im Leben mit Gott wandeln (wie Micha schreibt), nicht frei von Leid ist. Man kann es auch anders
ausdrücken: Das Leben in der Welt ist immer mit Leid und Schmerz verbunden und in unserer Zeit sehen wir, wie Kriege viel Leid verursachen. Und das Leben eines Menschen, der mit Gott wandelt, ist
ebenso dem Schmerz unterworfen und vielleicht sogar größerem Schmerz und Leid als das Leben anderer. Ich würde dieses „mehr“ an Leid, das Menschen, die mit Gott wandeln erfahren, auf ihr
Bewusstsein für sich selbst, für Gott, für andere Menschen und die Welt zurückführen. Durch solches Bewusstsein ist sich ein Mensch dann des Leidens in der Welt mehr bewusst als
andere.
Im Buch Micha lesen wir aber auch von der Zukunftshoffnung. Wir lesen, dass der Berg des Hauses Gottes als höchster der Berge errichtet und über die Hügel erhoben wird und alle Völker zu ihm kommen werden. Ein so schönes Bild, das uns sagt, dass alle Menschen sich letztendlich Gottes und ihrer Zugehörigkeit zu Gott bewusst werden. Gott wird nicht länger ignoriert oder vergessen werden, wie es in der Welt oft der Fall ist. In ähnlicher Weise kündigt das Buch Micha, sowohl das Unheil durch Gottes Gericht, aber auch das anschließende Heil an. Und doch bedeutet dies, dass Hoffnung auf Frieden auch Teil des Lebens ist. Hier im Leben erfahren wir Leid, aber wir hoffen und vertrauen darauf, dass allen das Heil zuteil wird.
Hier erfährt auch derjenige, der mit Gott wandelt, einen größeren Anteil an Hoffnung und an Frieden, eine Hoffnung, die tiefer im Bewusstsein verwurzelt ist als jemand, der sich Gottes nicht bewusst ist.
Der Grund für dieses „mehr“ an Hoffnung und Frieden ist, dass der Glaube uns Gott vertrauen lässt, auch wenn wir nicht alles verstehen. Ein solches Vertrauen ist kein blindes Vertrauen und auch kein Vertrauen, das uns lähmt. , Ein solches Vertrauen auf Gott bedeutet nicht, das wir nichts tun müssten, da Gott alles unter Kontrolle hat (wie in der Vergangenheit gesagt wurde, dass Religion „das Opium des Volkes“ ist: Marx). Wie bereits erwähnt, macht uns der Glaube zu bewussteren Menschen. Und wir wollen immer mehr verstehen, immer mehr Fragen stellen und Ungerechtigkeit nicht als selbstverständlich hinnehmen. Ebenso lässt uns der Glaube auf die Ziele unseres Glaubens hinarbeiten. Das Hinarbeiten auf die Ziele des Glaubens ist nicht selbst eine Voraussetzung, sondern Frucht des Glaubens. Wenn wir an den Gott der Liebe glauben, können wir nicht anders, als zu lieben, und wenn wir die Barmherzigkeit Gottes erfahren, wie könnten wir anders als selbst barmherzig zu sein? Und wissen Sie, was das letztendliche Ziel des christlichen Glaubens ist?
Der heutige Text aus dem Buch des Propheten Micha ist eine Beschreibung davon. Alle Völker werden zu Gott kommen und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen. Schwerter zu Pflugscharen ist ein Ausdruck, der die Umwandlung militärischer Waffen oder Technologien für friedliche zivile Zwecke bezeichnet. Nationen werden nicht das Schwert gegen andere Nationen erheben und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Das ist das Endziel. Das ist eine Beschreibung unserer Hoffnung, dass alle Menschen, ohne Unterschied, ohne Trennung, Diskriminierung, ohne dass einige Privilegien und andere Nachteile haben, zusammenkommen und alle zu Gott kommen. Das Endziel, wie es Michabuch beschreibt ist, dass die gesamte Schöpfung in Gott versöhnt und mit Gott vereint wird. Das, liebe Schwestern und Brüder, ist das Endziel.
„Jedermann wird unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen, und niemand wird ihn aufschrecken.“ Wir können uns kein schöneres Bild vorstellen. Es wäre das Beste, wenn wir dieses Bild bei uns tragen könnten, wohin wir auch gehen und was wir auch in unserem Leben tun. Die Details sind zweitrangig, aber das Ziel bleibt unveränderlich. Wenn wir unser Haus verlassen, wissen wir, wohin wir wollen, und wählen dementsprechend den Weg, damit wir rechtzeitig und am richtigen Ort ankommen. Wenn das Endziel Frieden und Versöhnung ist, wollen wir keine Kriege, wir wollen keine Konflikte oder Streitigkeiten. Wir werden versuchen, einander zu verstehen, wir werden versuchen, die Schwachen aufzunehmen, denen zu vergeben, die Fehler begangen haben. Wir werden versuchen, die Verfehlungen zu vergessen, neue Wege zu beschreiten, den Hass zu überwinden und neu anzufangen.
„Niemand wird ihn aufschrecken“. Ich persönlich halte dieses Versprechen für das wichtigste in unserer Zeit. Wir leben in einer Zeit, in der Angst fast immer präsent ist. Wir haben sogar Angst, das zu sagen, was wir denken, damit das, was wir sagen, nicht kriminalisiert und gegen uns verwendet wird. Das ist etwas sehr Bedrückendes und Bedauerliches. Und doch hoffen wir auf Frieden, auf eine Zeit, in der niemand Angst haben muss.
Eies bleibt noch zu sagen: Dieses Endziel mag zwar noch in weiter Ferne liegen, vielleicht werden wir es nie im Leben erleben, und doch ist es so nah, dass es jedes Mal eintritt, wenn
wir entsprechend leben. Jede Gelegenheit zu Barmherzigkeit, Offenheit und Vergebung ist eine Gelegenheit, dieses Ziel zu erreichen. Und in diesem Sinne sagen wir, dass das Reich Gottes bereits
hier und jetzt ist, wenn auch noch nicht vollständig. Amen.
____________
Gott, wir wissen, dass du Liebe bist
und dass du willst, dass alle Menschen gerettet werden.
Und doch sind wir manchmal zu sehr mit uns selbst beschäftigt, manchmal können wir nicht vergeben, manchmal haben wir Angst und nicht den Mut, für den Frieden
einzutreten.
Aber du kannst uns helfen, du kannst uns trösten, du kannst uns die Hoffnung geben, dass am Ende alles gut wird. Hilf uns, auf diese Hoffnung hin zu leben und zu handeln.
Amen.
Sylvie Avakian
10.11.2024