Das Heil Gottes heute und immer

Das Heil Gottes heute und immer

(Jesaja 51,4-6)

 

So achte nun auf mich, mein Volk, und ihr, meine Leute, leiht mir eure Ohren; denn ein Gesetz wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich zum Licht der Völker aufrichten.

Meine Gerechtigkeit ist nahe, meine Rettung zieht aus, und meine Arme werden die Völker richten. Auf mich werden die Inseln hoffen, und auf meinen Arm werden sie warten.

Erhebt eure Augen zum Himmel und schaut auf die Erde drunten; denn die Himmel werden vergehen wie ein Rauch, und die Erde wird wie ein Kleid zerfallen, und ihre Einwohner werden auf dieselbe Weise umkommen; aber mein Heil wird ewig bleiben und meine Gerechtigkeit nicht zugrunde gehen.

 

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Der Predigttext für uns heute an diesem Altjahresabend enthält tröstliche Worte, die uns helfen, auf das vergangene, und zumindest, wenn wir die Welt und die vielen tragischen Ereignisse betrachten turbulente Jahr 2024 zurückzublicken.

 

Der Text beginnt mit einem Aufruf, auf Gott zu hören. Und schon im ersten Vers des Textes gibt es einen schönen Ausdruck, den ich heute als Beschreibung des Wortes Gottes nehmen möchte, nämlich „Licht für die Völker“. Das Wort Gottes ist wie Licht auf unseren Wegen, nicht nur für uns, für mich oder für Sie, sondern für alle Menschen. Wir machen jedoch die Erfahrung, dass es in unserem Alltag nicht einfach ist, auf Gott zu hören, da so viele Dinge an unsere Ohren dringen, so viele Dinge, die uns in alle Richtungen ablenken, so dass wir kaum zwischen den guten, den wichtigen und den unnötigen, unwichtigen Reizen unterscheiden können. Die Welt versucht, das Wort Gottes auszublenden und zu ignorieren, es als irrelevant oder sogar als reine Erfindung darzustellen, weil das Wort Gottes nicht mit der Marketinglogik der Welt übereinstimmt. „Leiht mir eure Ohren“ schreibt der Prophet, also müssen wir zumindest für eine Weile nichts anderes hören als das Wort Gottes.

 

Denn die Kirche lebt, liebe Gemeinde, davon, auf das Wort Gottes zu hören, nach Licht, Gerechtigkeit und Heil zu suchen. Die Kirche kann nicht von den Nachrichten leben, auch wenn es wichtig ist, die Nachrichten zu verfolgen, um zu wissen, was in der Welt vor sich geht. Auf Gott zu hören eröffnet neue Horizonte und gibt uns neue Perspektiven für unser Leben und das Leben anderer, was unmöglich wäre, wenn wir uns mit den Nachrichten der Welt begnügen würden. Auf Gott zu hören, hilft uns zu sehen, was wir ohne das Wort nicht sehen können. Es erhellt selbst die dunkelsten Ecken unseres Lebens, sodass Hoffnung und ein neuer Anfang möglich werden. Das Wort Gottes lässt uns nicht aufgeben, wenn wir im Leben auf Hindernisse stoßen, sondern zeigt uns immer die Möglichkeit, den nächsten guten Schritt zu erahnen.

 

Und so verspricht der Predigttext im Namen Gottes: Meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil kommt. Das Versprechen des Heils gilt für alle Menschen. Wir dürfen alle mehr sein als die Summe unserer Leistungen oder Misserfolge. Denn Gott nimmt uns unsere Fehler und unsere Schuld, und erkennt uns als Menschen an, als Kinder Gottes. Und dann lesen wir etwas über Gottes Gericht über die Menschen. Aber hier wird das Gericht Gottes auch auf positive Weise beschrieben, sodass das Heil durch das Gericht hindurch möglich wird. „Meine Arme werden die Völker richten. Auf mich werden die Inseln hoffen, und auf meinen Arm werden sie warten.“ Die Arme Gottes werden also als die Arme eines Vaters oder einer Mutter beschrieben. Wir nähern uns den Armen Gottes mit Zuversicht und Vertrauen, dass die Liebe Gottes so unendlich groß, weit und tief ist, dass wir niemals aus ihr herausfallen werden. Durch Gottes Gericht kommen wir zum Licht und können dort verweilen.

 

Das von Gott verheißene Heil ist uns in Jesus Christus nähergekommen. Durch sein menschliches Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen erfahren wir bereits das Heil. Das Wort Heil (V.6: „mein Heil wird ewig bleiben“) im Hebräischen ist יֵשַׁע [yēšaʿ] bedeutet Befreiung, Heil, Rettung, Wohlergehen und hat dieselbe Wurzel, von der auch der Name Jesus (yashuu) stammt, der Retter, der Heiland. Durch Jesus erkennen wir, dass wir uns immer Gott nähern dürfen, und das aus der Gnade Gottes. Wir müssen nichts tun, um von Gott angenommen oder geliebt zu werden.

 

Und dann kommt Vers 6 und wir werden etwas unsicher. Der Himmel und die Erde werden vergehen und verschwinden und die Menschen werden sterben. Hier kommt der Gedanke des Todes und der Vergänglichkeit von allem zum Ausdruck. Wie sollen wir damit umgehen? Hier auf der Welt bemühen wir uns jeden Tag, uns ein gutes Leben aufzubauen. Wir bilden uns weiter, arbeiten, kümmern uns um die Umwelt, so gut wir können, aber irgendwann müssen wir alles hinter uns lassen und gehen. Und vielleicht ist das Jahresende der beste Zeitpunkt, um über dieses Thema nachzudenken, bei dem es darum geht, bereit zu sein, das Vergangene hinter sich zu lassen und sich auf das Neue einzulassen.

 

Und hier möchte ich mit Ihnen einen Blick auf Psalm 90 werfen, wo wir die Worte lesen: „Herr, du bist unsere Zuflucht von Geschlecht zu Geschlecht!“ In Zeiten der Verwirrung und Verunsicherung, auch durch das Neue, das auf uns zukommt, können wir und dürfen wir, liebe Gemeinde, bei Gott Halt suchen und wir werden es finden. Wir können um Gottes Führung und Licht bitten und wir werden diese bekommen. Und im V. 12 desselben Psalms heißt es: „Lehre uns unsere Tage richtig zählen, damit wir ein weises Herz erlangen!“ Und die Lutherübersetzung ist hier besonders schön: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Die Bitte ist wohlüberlegt. Es heißt nicht „lehre uns mit dem Tod zurechtkommen“ sondern einfach: „lehre uns, zu bedenken ...“ Es geht darum, liebe Gemeinde, sich Gedanken zu machen, darüber nachzudenken. Und wenn wir es schaffen, über den Tod nachzudenken, kommen wir auch der Wahrheit unseres Lebens näher, nämlich dass wir sterbliche Menschen sind. Der Vers bedeutet: Wenn wir über den Tod nachdenken, erst dann werden wir weise, oder klug. Und das bedeutet, dass der Weg, das Leben zu verstehen, darüber führt, sich Gedanken über den Tod zu machen.

 

Dann werden wir verstehen, was für ein Geschenk jeder Tag ist, der unsere größte Aufmerksamkeit verdient. Wir werden sehen was für ein Wunder das Leben selbst ist und wie sehr wir jeden Tag dankbar sein können. Wenn wir über den Tod nachdenken werden wir verstehen wie einzigartig ist alles, was wir im Leben haben, unsere Familie, Freunde, und die Menschen, die uns treu zur Seite stehen.

 

An diesem letzten Tag des Jahres können wir zurückblicken und sehen, was dieses Jahr uns und der Welt gebracht hat. Es gab viele tragische Ereignisse auf der Welt. Im vergangenen Jahr gab es für jeden von uns sicherlich gute, aber auch schwierige Zeiten. Wir mögen heute denken, dass wir vielleicht einiges anders machen könnten. Aber in jedem Fall können wir heute darauf vertrauen, dass unser Gott, der durch Jesus Christus zu uns kommt, ein liebender Gott ist, der unsere Fehler wegnimmt und uns immer und an jedem neuen Tag neue Möglichkeiten gibt, die Menschen zu sein, die wir sein wollen und für die wir geschaffen sind. Das ist die Bedeutung von Heil. Gott öffnet uns jeden Tag neue Türen, sodass wir keine Angst vor dem haben müssen, was kommen mag, sondern auf Gott hoffen und ihm bei jedem Schritt unseres Weges vertrauen können.

 

Heute sind wir aufgerufen, im Vertrauen auf Gott das Vergangene loszulassen und uns auf das Neue, das auf uns zukommt, einzulassen. In diesem Prozess kann das Wort Gottes für uns ein Ort sein, an dem wir uns in allen Lebenslagen im wahren Sinne des Wortes verorten können. Gottes Wort kann für uns immer wieder zu einem Ort der Kraft und des Trostes, der Hoffnung und des Vertrauens werden.

 

Liebe Gemeinde, das Heil Gottes ist so nah, dass es uns in dem Moment zuteil wird, in dem wir es uns von ganzem Herzen wünschen. Ähnlich wie Zachäus, der Jesus um jeden Preis sehen wollte und so das Heil empfing. Und das Heil ist ein solches Geschenk, dass wir, wenn wir es empfangen, es mit anderen teilen wollen. So macht das Heil Gerechtigkeit möglich, und wir lesen, dass Zachäus die Hälfte seines Besitzes an andere verschenkte.

 

Mit dieser Zuversicht und diesem Verlangen nach Heil wollen wir in das neue Jahr gehen. Amen.

 

Sylvie Avakian

 

31.12.2024